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Seeteufel

Seeteufel

Titel: Seeteufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
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anderes in dem Gesagten mit. Konnte es sein, dass der Anrufer mit diesem Satz sich darüber beklagte, dass ihm aufgrund gewisser Umstände die freie Sicht auf den See verwehrt war? Präziser gesagt: die freie Sicht auf das Wapo-Boot?
    Wenn er recht hatte mit seiner Annahme, dann musste das Polizeiboot beim zweiten Tauchgang auf einer etwas anderen Position gelegen haben als am Vorabend, was durchaus möglich war. Um das rauszukriegen, brauchte er lediglich Sommer anzurufen.
    Â»Ernst, ich bin auf dem Weg nach Sipplingen. Frag mich nicht, warum – nicht jetzt! Kann sein, dass ich erst etwas später zu euch stoße …«
    Â»Stopp!«, wurde er von Sommer unterbrochen, »die Lagebesprechung ist auf morgen früh um neun verschoben. Hindemith und Vögelein sind mit auf dem Boot, sie würden ebenfalls fehlen.«
    Â»Also liegt das Boot noch draußen?«
    Â»Ja. Es soll gewisse Probleme geben.«
    Â»Hast du mitbekommen, ob die Liegeposition von der gestrigen abweicht?«
    Â»Nein, da musst du die Wapo fragen.«
    Wolf bedankte sich und unterbrach die Verbindung. Dann wählte er die Nummer der Wapo und verlangte den Schiffsführer. Der verstand auf Anhieb, worauf Wolfs Frage abzielte.
    Â»Kann sein, dass wir ein paar Meter weiter östlich liegen, aber viel macht das nicht aus«, erklärte er. »Doch auch wenn die Position im Grunde dieselbe ist: Etwas ist anders. Gestern sind wir mit dem Bug nach Osten gelegen. Heute zeigt unser Bug nach Norden.«
    Â»Und was bedeutet das?«
    Â»Ganz einfach: Unsere Taucher gehen stets von der Backbordseite aus ins Wasser. Gestern demnach landseitig nach Sipplingen, heute in Richtung Ludwigshafen.«
    Auf Wolfs Gesicht breitete sich ein zufriedenes Lächeln aus. »Also kann ein Zuschauer von Sipplingen aus die Tauchgänge nur eingeschränkt beobachten, richtig?«
    Wolf hörte den Schiffsführer förmlich grinsen. »Ich sehe, wir verstehen uns! Der westliche Teil des Ortes Sipplingen hat freie Sicht, aber im Osten sieht es mau aus.«
    Nun war klar, weshalb der Anrufer seinen Satz, kaum ausgesprochen, am liebsten zurückgenommen hätte: Zu spät war ihm aufgegangen, dass er mit ein paar unbedachten Worten seinen Standort eingegrenzt hatte – ein kaum wiedergutzumachender Fehler!
    Inzwischen hatte Wolf die ersten Häuser von Sipplingen erreicht. An der höchsten Stelle des Ortes stellte er den Wagen ab. Wenn er sich anstrengte, konnte er draußen auf dem Wasser einen schwach glimmenden Lichtpunkt erkennen.
    Was nun folgte, musste er zu Fuß erledigen: Er musste sich den ganzen verdammten Hang hinabarbeiten, Straße um Straße ablaufen und bei jedem Hotel, bei jeder Pension genauestens prüfen, wo die zum See gelegenen Zimmer noch eine freie Sicht auf das Boot zuließen und wo nicht.
    Das Ergebnis war ernüchternd. Als Wolf eine halbe Stunde später die Uferstraße erreichte, hatte er nicht weniger als acht Adressen auf seiner Liste. Das waren sieben zu viel. Eine herbe Enttäuschung!
    Hatten sie damit ihr letztes Pulver verschossen? Sah ganz so aus. Es sei denn …
    Es sei denn, was?
    Wirre Gedanken schwirrten Wolf durch den Kopf, vage zunächst und unausgegoren. Doch je länger sie durcheinanderpurzelten, desto mehr gewannen sie an Gestalt, bis so etwas wie ein Plan in seinem Kopf entstand – ein Plan mit mehreren Unbekannten zwar, doch mit etwas Glück konnte er funktionieren. Ärgerlich nur, dass er ihm nicht schon früher eingefallen war. Was willst du, wies er sich selbst zurecht. Besser spät, als nie!
    Unvermittelt stand Wolf vor seinem Wagen. Ganz in Gedanken war er wieder den Berg bis zu seinem Ausgangspunkt hochgelaufen, hatte die Steigung und die vielen Kurven kaum wahrgenommen. Komisch, dachte er, ich bin kaum außer Atem. Aufgekratzt sah er auf die Uhr. Es war kurz vor sieben.
    Â»Eine christliche Zeit, da darf man eine Reporterin durchaus noch stören«, entschied er. Ohne der prächtigen Aussicht auch nur einen flüchtigen Blick zu schenken, nahm er sein Handy hoch und drückte die Kurzwahltaste für Karin Winters Nummer.

12
    Ein grässliches Schrillen zerriss die Stille, laut und aufdringlich wie eine wild gewordene Feuerwehr. Im Halbschlaf zog Wolf die Decke über den Kopf. Doch das Schrillen hielt an.
    Bruchstückhaft kehrte seine Erinnerung zurück. Er sah sich mit einer aufgedrehten Karin Winter

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