Seeteufel
inzwischen vor dem Hoteleingang vorgefahren, hatten an der Rezeption nach dem Besitzer gefragt und ihn, kaum dass er auf der Bildfläche erschien, in das angrenzende kleine Büro gedrängt. Der Mann fiel aus allen Wolken, als er von der bevorstehenden Festnahme erfuhr, erklärte sich jedoch bereit, mit ihnen zu kooperieren.
Einzeln oder paarweise trudelten die Kollegen ein, der Tarnung wegen im Jogginganzug oder mit Tennisschläger oder einem Gepäckstück bewaffnet. Sie sammelten sich in dem kleinen Büroraum hinter der Rezeption. Anwesend waren auÃer Wolf und seinen beiden Mitarbeitern noch zwei Kollegen der Soko und natürlich Hindemith. Weitere vier Mann waren drauÃen rings um das Haus postiert.
In gewisser Weise ähnelte alles der hochnotpeinlichen Verhaftung vom Vortag, auÃer dass an der Zimmertür diesmal die Nummer neunzehn prangte.
Geräuschlos nahmen die Polizisten ihre Positionen ein. Dann gab sich der Hotelier einen Ruck und klopfte an die Tür. »Zimmerservice«, rief er. »Bitte entschuldigen Sie, ich habe hier einen Getränkekorb für Sie â ein kostenloses Wochenendpräsent für unsere Gäste.«
Wolf glaubte, hinter der Tür ein Tuscheln zu vernehmen. SchlieÃlich meldete sich eine kräftige Männerstimme: »Danke, wir verzichten.« Es klang so endgültig, wie es gemeint war.
»Wie Sie meinen. Entschuldigen Sie bitte noch mal die Störung«, antwortete der Hotelier wie vereinbart. So leise, wie sie gekommen waren, zogen sich die Polizisten wieder zurück.
»Was nun?«, fragte Vögelein nach ihrer Rückkehr in das kleine Büro.
»Das ist groÃe Kacke«, schimpfte Hindemith. »Die haben todsicher nicht nur die Zimmertür verschlossen, sondern auch ständig das Fenster zum See im Blickfeld.« Er wandte sich an den Hotelier: »Zu dem Zimmer gibt es vermutlich keinen weiteren Zugang â eine Verbindungstür oder so was?«
»Nein, tut mir leid.«
»Ist es möglich, von der Seeseite her einen Blick auf die Terrasse zu werfen, ohne selbst gesehen zu werden?«, fragte Wolf den Hotelbesitzer.
»Das geht. Wenn Sie bitte mitkommen wollen?«
Kurze Zeit später sah Wolf, hinter dichtem Buschwerk verborgen, auf die Rückseite des fraglichen Zimmers. Der Raum war über die ganze Breite verglast. Eine Tür führte auf die Terrasse, auf der Wolf zwei Liegen und einen zusammengeklappten Sonnenschirm ausmachen konnte. Die Terrassentür stand einen Spalt weit offen. Das Innere des Zimmers war nur schwach erleuchtet, vermutlich brannte eine der Nachttischlampen. Immerhin bemerkte Wolf eine kleinere, stämmige Männergestalt, die gelegentlich ein Fernglas an die Augen hob und auf den See hinausstarrte. Dabei musste es sich um Neidling handeln. Loske hingegen blieb unsichtbar.
Vorsichtig zog Wolf sich wieder zurück, er hatte genug gesehen.
»Wie siehtâs aus?«, wollte Hindemith wissen.
Wolf hob sein Barett leicht an, um sich am Kopf zu kratzen. »Beschâ¦eiden. Ich sehe nur eine Möglichkeit, unser Ziel zu erreichen: Wir müssen versuchen, durch die Terrassentür einzudringen. Das setzt voraus, dass der Mann am Fenster für einen Moment abgelenkt wird.« Er dachte kurz nach, ehe er den Hotelier ins Auge fasste: »Sie haben doch sicher einen Generalschlüssel dabei?«
Statt einer Antwort förderte der Hotelbesitzer einen umfangreichen Schlüsselbund zutage.
»Gut«, fuhr Wolf fort. »Also, mein Vorschlag ist folgender: Ihr steckt zu einem vereinbarten Zeitpunkt den Generalschlüssel ins Schloss und sperrt, so schnell es geht, die Tür auf. Das dürfte bei dem Mann am Fenster für genügend Ablenkung sorgen. Im gleichen Moment dringe ich von der Terrasse her ein. Alles hängt davon ab, dass die einzelnen Schritte genau aufeinander abgestimmt sind â und dass es uns gelingt, die Erpresser von ihren Handys fernzuhalten.«
Hindemith, der während Wolfs Rede mehrfach Anstalten gemacht hatte, ihn zu unterbrechen, konnte nun nicht länger an sich halten. »Entschuldige, Leo, aber das ist mir zu abenteuerlich. Das Risiko, dass einer der beiden Täter mit dem Finger zuckt und dabei, mit oder ohne Absicht, die Ladung in die Luft jagt, ist mir viel zu hoch.«
»Haben wir eine Alternative â ich meine, auÃer dass wir die Gangster ziehen lassen und brav das Lösegeld bezahlen?«
»Ja.
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