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Seeteufel

Seeteufel

Titel: Seeteufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
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drängten sich nach vorne, jeder mit einer voluminösen schwarzen Ledertasche bewaffnet. Während der eine von ihnen die Leiche aus allen Blickwinkeln zu fotografieren begann, nahm der andere die nähere Umgebung in Augenschein und untersuchte anschließend die Kleidung des Toten. Seine Feststellungen teilte er einem kleinen Diktiergerät mit, in das er unablässig hineinsprach.
    Währenddessen nahm Wolf Hanno Vögelein beiseite. »Ruf mal im Kreiskrankenhaus an und lass dich mit Dr.   Reichmann verbinden. Soviel ich weiß, arbeitet sie heute Abend an den Leichen der beiden Penner aus dem Boot. Sag ihr, es käme Nachschub. Und es sei dringend.« Dr.   Reichmann war die zuständige Rechtsmedizinerin, die bedarfsweise aus Tübingen nach Überlingen kam und am örtlichen Krankenhaus Obduktionen durchführte.
    Kaum hatte Vögelein sein Handy gezückt, da beugte sich Jo zu Wolf hinüber. Sie hatte während der letzten Minuten aufmerksam die Umgebung beobachtet. »Sehen Sie mal unauffällig da rüber, Chef.« Kaum merklich wies sie mit dem Kopf auf die dichtgedrängte Reihe der Gaffer. »Der hochgewachsene Mann dort mit den wirren dunklen Haaren. Sehen Sie ihn?«
    Â»Könnte ein Stadtstreicher sein«, konstatierte Wolf, als er ihn entdeckt hatte.
    Â»Eben. Ob er zu Ottos Gruppe gehört?«
    Â»Das finden wir nur raus, wenn wir ihn fragen. Komm mit.«
    Eine Minute später tippte Wolf dem Mann von hinten auf die Schulter. Der fuhr erschrocken herum.
    Â»Keine Sorge«, beschwichtigte ihn Wolf halblaut. »Sie haben nichts zu befürchten. Wir haben lediglich ein paar Fragen. Kennen Sie den Toten da drüben?«
    Â»Den?« Der Mann sah schnell zum Fundort der Leiche hinüber, ehe er den Kopf schüttelte. »Nein! Ich weiß nur, dass er Otto heißt.« Als Wolf ihn skeptisch ansah, fügte er hinzu: »Ich bin noch nicht so lange in Überlingen, wissen Sie.«
    Irgendwie komisch, dachte Wolf. Die Sprechweise des Mannes passte nicht so recht zu seiner Erscheinung. Er sprach gepflegter, geschliffener, akzentuierter als sein Äußeres erwarten ließ. Er nahm den Mann etwas gründlicher in Augenschein. Das Gesicht bedeckte ein Stoppelbart, die Haare, fettig und verfilzt, standen nach allen Seiten ab. Kleidung und Schuhe wirkten speckig und abgetragen. Seine Hände steckten tief in den Manteltaschen, sein Blick irrte unstet zwischen Jo und Wolf hin und her. Zu allem Übel stank der Kerl wie eine Schnapsfabrik. Doch eines wollte nicht so recht zu dem schäbigen Äußeren passen: die kräftige, sportliche Statur – die konnte selbst der Mantel nicht kaschieren.
    Â»Kennen Sie wenigstens seinen vollen Namen?«, versuchte es Jo noch einmal.
    Kopfschütteln.
    Â»Oder seine Schlafstelle?«
    Wieder nur ein Kopfschütteln. »Tut mir leid, ich kann Ihnen wirklich nicht weiterhelfen. Wie … ich meine, woran ist er denn gestorben? Es hat doch nichts mit den beiden von heute früh zu tun, oder?«
    Noch einmal sah Wolf dem Mann prüfend in die Augen. Nein, wie ein Gewohnheitstrinker sah er eigentlich nicht aus, auch wenn er meilenweit nach Fusel stank. Keine schlaffen Augenlider, kein Händezittern, kein Schweißausbruch, nichts, was auf Ausfälle von Sprache oder Motorik schließen ließe, wenigstens nicht in diesem Moment. Vermutlich quälten ihn, milieubedingt, diffuse Ängste, die immer dann an die Oberfläche drängten, wenn ein anderer aus seiner Kaste sich in die Ewigkeit verabschiedet hatte. Arme Schweine, einer wie der andere.
    Â»Das wissen wir noch nicht«, beantwortete Wolf seine Frage. »Vermutlich ertrunken, möglicherweise war Alkohol im Spiel.«
    Wolf fühlte sich zunehmend unbehaglicher. Ohnehin blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich zu verabschieden. Grüßend tippte er mit dem rechten Zeigefinger an sein Barett. Dann traten sie den Rückweg an.
    Er hatte erst wenige Meter zurückgelegt, da blieb er abrupt stehen. »Er hat gar nicht gefragt, wer wir sind!«, sagte er verwundert. »Seltsam!«
    Jo wandte sich um. Doch der Mann war verschwunden.
    * * *
    Jörg Matuschek liebte seinen Job über alles. Chefredakteur einer straff geführten Tageszeitung, zumal in einer Region, in der andere Urlaub machten – davon hatte er immer geträumt. Als sich sein Traum eines schönen Tages erfüllte, lernte er recht

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