Seeteufel
genauso selten bedeuteten sie etwas Gutes. Mit gespannter Erwartung nahm er ab. Sein Gefühl hatte nicht getrogen. Lapidar teilte ihm der Kollege von der Bereitschaft mit, am Nordende des Gondelhafens, dort, wo dieser an die BahnhofstraÃe stöÃt, hätten Passanten eine männliche Leiche gefunden.
»Ich kümmere mich gleich drum«, brummte Wolf. Nur gut, dass er den Wagen hatte! »Wisst ihr Näheres über den Toten?«
»Nicht viel: männlich, Alter zwischen sechzig und siebzig, klein und hager, ziemlich verwahrlost.«
Wolf beschlich eine Ahnung. »Könnte es sich bei dem Mann um einen Penner handeln?«, fragte er.
»Wäre der Beschreibung nach durchaus möglich«, bestätigte der Kollege. Wolf unterbrach die Verbindung, legte aber nicht auf.
*Â *Â *
Selbst wenn Wolf die Stelle unbekannt gewesen wäre, verfehlen hätte er sie kaum können: Ein halbes Dutzend nervös flackernder Blaulichter wies ihm den Weg. Er suchte in der BahnhofstraÃe einen freien Parkplatz und lief die paar Schritte zurück. Mehrere Streifenpolizisten waren dabei, neugierige Passanten zurückzudrängen und den Zugang zu dem kleinen Hafenbecken mit einer Rolle rot-weià gestreiften Flatterbandes abzusperren. Hoffentlich machten sie auf der anderen, dem See zugewandten Seite des Hafenbeckens dasselbe, dachte er; auch von dort konnten Neugierige zum Fundort der Leiche gelangen.
An der Fundstelle hatten die Kollegen zwei Scheinwerfer in Stellung gebracht. Man hatte den Toten aus dem Wasser gezogen und auf die gemauerte Umrandung des Beckens gelegt. Ein Mann in orangefarbener Weste machte sich an ihm zu schaffen. Der Notarzt. Jo und Vögelein standen daneben. Wolf selbst hatte sie vor der Abfahrt telefonisch verständigt, ihnen das Kommen aber anheimgestellt.
»Könnte unser Mann sein, Chef«, empfing ihn Jo und wies auf den Leichnam.
»Hat meine Ahnung also nicht getrogen«, seufzte Wolf. »Wer hat ihn gefunden?«
»Ein Ehepaar aus der Schweiz. Steht dort drüben, hält sich zu Besuch in Ãberlingen auf. Haben allerdings nichts und niemanden gesehen, wie sie glaubhaft versichern.«
»Der arme Otto! Nun hat es also auch ihn erwischt«, vernahm Wolf in diesem Augenblick eine kräftige Altstimme in seinem Rücken.
Wolf verzog das Gesicht. »Sieh mal an, die Frau Winter! Sie haben den Mann also gekannt?«, erwiderte er, ohne sich umzudrehen.
Karin Winter trat neben ihn. Flüchtig nickte sie den Umstehenden zu, ehe sie auf Wolfs Bemerkung einging: »Kennen ist zu viel gesagt. Der âºSeekurierâ¹ hat vor einigen Monaten mal was über die Ãberlinger Wohnsitzlosen gebracht. In diesem Zusammenhang habe ich auch Otto interviewt. War ziemlich fertig damals, das arme Schwein. Die Bronchien.«
»Und seitdem haben sie ihn nicht mehr gesehen?«
Die Journalistin zögerte. »Nun, wenn Sie mich so direkt fragen: doch, hab ich. Heute früh.«
»Als Sie mit Ihren Bildern hausieren gingen?«
»Richtig. Ist ja nicht verboten, oder?« Wolfs spitze Frage hatte sie nicht im Geringsten in Verlegenheit gebracht, im Gegenteil, sie lächelte in aller Unschuld. »Otto wollte mir etwas über Havanna und Einstein erzählen, allerdings nicht im Kreise seiner Lieben. Deshalb haben wir uns um die Mittagszeit an seiner Schlafstelle verabredet.«
»Beim alten Baumarkt?«
»Richtig.«
»Und wer nicht kam, war Otto.«
»Sie sagen es. Aber irgendjemand muss da gewesen sein. Jemand, der Angst hatte, dass Otto zu viel ausplauderte. Vielleicht derselbe, der später das Feuer legte? Jedenfalls hat dieser Jemand alle vier Reifen meines Wagens aufgeschlitzt.«
Wolf dachte an die Gefahr, in der sie geschwebt hatten. Dagegen waren vier aufgeschlitzte Reifen der reinste Pipifax. Er nickte knapp und sagte: »Hab ich gesehen.«
Der Notarzt hatte sich erhoben. Mit unbewegtem Gesicht wandte er sich an Wolf: »Sieht auf den ersten Blick so aus, als sei der Mann ertrunken. Zumindest habe ich keine äuÃeren Verletzungen, keine Einstiche, keine Spuren einer Auseinandersetzung gefunden. Nach der Obduktion wissen wir Genaueres. Von mir aus kann die Leiche weggebracht werden.«
»Danke, Doktor, aber wir müssen noch auf die Kollegen von der Spurensicherung warten ⦠Hat sich erledigt, da kommen sie schon.«
Zwei Männer, in die obligatorischen weiÃen Overalls gehüllt,
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