Seeteufel
die jeder rechtschaffene Konstanzer einen weiten Bogen machte und die sich dennoch regen Zuspruchs erfreute, was die nächtens gut ausgelasteten Parkplätze hinreichend bewiesen.
Der Audifahrer, seiner Stoppelhaare wegen auch »Igelmann« gerufen, brachte sein Fahrzeug in einer leeren Parkbucht zum Stehen. Er löschte die Lichter und stieg aus. Mit schnellen Schritten umrundete er den Wagen, dabei ging er vorne und hinten je einmal kurz in die Hocke und machte sich an den Nummernschildern zu schaffen. Dann setzte er sich wieder hinters Steuer, und kurz darauf bog er auf den Parkplatz ein, der zwischen der BundesstraÃe und dem Gebäude mit der Lichtreklame lag.
Ohne anzuhalten überquerte der Wagen den zu dieser Stunde nur mäÃig belegten Parkplatz, bis ihn eine geschlossene Schranke zum Halten zwang. Der Igelmann kurbelte die Scheibe herunter und steckte eine Codekarte in einen Schlitz. Als sich die Schranke hob, rollte der Audi langsam an dem Etablissement und den daran angebrachten Ãberwachungskameras vorbei zu einem rückwärtigen, deutlich kleineren Parkplatz, zu dem nur ausgewählte Stammkunden Zutritt hatten. Hier brachte der Fahrer den Wagen zum Stehen.
Sorgsam sah er sich um. Der mit einem mannshohen Metallgitterzaun umfriedete Hof von der GröÃe eines Tennisplatzes war menschenleer, desgleichen die wenigen hier abgestellten Fahrzeuge. Mit etwas Mühe lieà sich an der Gebäuderückseite eine stabile Tür ausmachen, zu der einige wenige Stufen hinaufführten. Die Tür selbst schien glatt und unverglast, die Kamera darüber war erst auf den zweiten Blick zu erkennen. Eine Sprechanlage mit Klingelknopf komplettierte das ganz auf Sicherheit angelegte Arrangement.
Noch immer machte der Igelmann keine Anstalten auszusteigen. »Scheint ja eine Bombenstimmung zu herrschen«, grunzte er neidisch und lieà den Blick über die Fassade schweifen. In zahlreichen Fenstern brannte Licht, doch verhinderten Jalousien, dass allzu viel davon nach auÃen drang. Um so lauter hallten Musik, helles Lachen und wirre Sprachfetzen über den Hinterhof.
Angespannt lauschte er der Geräuschkulisse, ohne den Blick auch nur eine Sekunde lang von der Einfahrt zu lassen.
*Â *Â *
»Sie kommen spät, Leo!«, begrüÃte ihn Dr.  Reichmann lächelnd. »Ich hatte schon befürchtet, das Ergebnis der Obduktion wäre Ihnen wurscht.«
Gequält verzog Wolf das Gesicht. »Das Gegenteil ist der Fall, Verehrteste, es interessiert mich sogar brennend. Es ist nur ⦠wie soll ich sagen â¦Â«
»Verstehe! Sie können kein Blut sehen, stimmtâs?«, grinste die Pathologin.
»Jedenfalls nicht auf nüchternen Magen«, ging Wolf auf das Spiel ein. »Allerdings, ein Obstler vorab, der könnte helfen. Sie haben wohl nicht zufällig �«
»Bedaure, Leo, aber Alkohol kommt in diesem Etablissement nur bei toten Körpern zur Anwendung«, antwortete Dr.  Reichmann scheinbar betrübt.
Plötzlich mussten beide lachen. Für einen Moment war die beklemmende Atmosphäre in dem klimatisierten, weià gekachelten Raum mit seinem kalten Licht und den drei mittig angeordneten Seziertischen aus Edelstahl wie ausgeblendet. Wolf kannte die Tübinger Rechtsmedizinerin schon seit ewigen Zeiten. Noch immer vermochte er nicht zu sagen, was ihn stärker beeindruckte: ihr scharfer Verstand, der ihr den Ruf einer weit über die Landesgrenzen hinaus geschätzten Koryphäe auf dem Gebiet der Forensik eingetragen hatte, oder die burschikose Art, mit der sie binnen Sekunden ihre Umgebung für sich einzunehmen wusste, gleichgültig, wo sie sich gerade aufhielt.
Dr.  Reichmann führte Wolf zu dem ersten Seziertisch. Schon wollte sie die grüne Abdeckung zurückziehen, unter der sich wie auf den anderen beiden Tischen ein menschlicher Körper abzeichnete, als ihre Hand zurückzuckte.
»Bevor wir beginnen, Leo: Sie haben nicht zufällig noch eine Leiche im Keller ⦠ich meine im Kofferraum?« Ein ironisches Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht.
Fahrig winkte Wolf ab. »Bedaure, mit mehr kann ich nicht dienen.«
»Dann ist es gut, für heute ist nämlich mein Bedarf gedeckt. Sind Sie übrigens sicher, dass Sie das hier wirklich sehen wollen?« Prüfend blickte Sie ihn an.
Wolf wusste, worauf sie anspielte. Den Anblick sezierter Leichen samt der ihnen entnommenen
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