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Seeteufel

Seeteufel

Titel: Seeteufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
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Sie hatte immer drei, vier Wagen zwischen sich und dem blauen Cabrio gelassen und sich, um unerkannt zu bleiben, nicht nur auf die getönten Scheiben des Fiats verlassen, sondern zusätzlich die Sonnenblende heruntergeklappt. Vorsicht war die Mutter der Porzellankiste.
    Bei der nächsten Gelegenheit fuhr sie rechts ran, nahm ihr Handy aus der Tasche und wählte eine Nummer. Sekunden später kam die Verbindung zustande.
    Â»Alles klar, bin auf dem Rückweg«, meldete sie, ohne ihren Namen zu nennen. »Ihr werdet’s kaum glauben, aber die Winter ist zum Beten zur Birnau gefahren … Wenn ich’s doch sage! Sieht aus, als hättet ihr die Schnüfflerin in Angst und Schrecken versetzt! … Nein, keinerlei Personenkontakt! Saß lediglich mit gefalteten Händen in der vorderen Reihe und hat gebetet … Ja, sie fährt nach Überlingen zurück. Hätte sie die Bullen einschalten wollen, hätte sie sich todsicher anders verhalten.«

4
    Verstohlen sah Vögelein auf die Uhr. Noch eine halbe Stunde bis zur Ablösung – vorausgesetzt, Wolf hatte ihn nicht vergessen. Mit verschränkten Armen saß er, die Beine lang ausgestreckt, vor Sammets Bett und sah den Kollegen an.
    Längst war ihnen der Gesprächsstoff ausgegangen, längst waren auch Vögeleins misstrauische Blicke auf seine Umgebung erlahmt. Selbst Sammet, dessen Augen zuvor permanent durch den Raum geflitzt waren, hatte zu dösen begonnen. War da nicht gar ein leises Schnarchen zu hören? Vögelein hätte das verstanden. Den mochte er sehen, der es fertigbrächte, stundenlang mehr oder weniger bewegungslos in einem Bett zu liegen und den Schwerkranken zu mimen, ohne dabei hin und wieder einzunicken.
    Vögelein überlegte, sich eine weitere Tasse Tee zu holen, doch schnell verwarf er den Gedanken wieder. Es wäre bereits seine vierte gewesen. Bei der letzten hatte er sich zudem zwei Tabletten eingeworfen, rein prophylaktisch, versteht sich, man konnte ja nie wissen, wann die bereits in den Gliedern lauernde verdammte Grippe vollends auszubrechen geruhte. Zudem drückte inzwischen die Blase, doch den Gang zur Toilette musste er unter allen Umständen bis zum Eintreffen der Ablösung hinauszögern. Trotzdem stand er auf, um seinen Rücken zu strecken – als jäh das Heulen von Alarmsirenen einsetzte. Nicht direkt auf der Station, Gott bewahre, man wollte die Schwerkranken nicht auch noch mit dem durch Mark und Bein gehenden Geheul belasten. Das schrille »tuuut – tuuut – tuuut« drang von draußen penetrant genug herein.
    Alarmiert sah sich Vögelein um, auch das Krankenhauspersonal huschte aufgeregt hin und her, lief zur Schleuse, zu den Fenstern, ans Telefon. Keiner wusste so richtig, was eigentlich los war und wie man sich verhalten sollte. Selbst einige der Patienten, sofern sie dazu in der Lage waren, hatten sich in ihren Betten aufgesetzt und starrten ängstlich auf die roten Signallämpchen, die an der Decke blinkten.
    Sammet hatte erschreckt die Augen aufgerissen, als der Alarm losging. Es hatte nicht viel gefehlt, und er wäre hochgefahren. Vögelein legte ihm warnend die Hand auf die Schulter und bedeutete ihm, ruhig liegen zu bleiben. Niemand durfte mitbekommen, dass er keineswegs so geschwächt war, wie es der Zeitungsartikel glauben machen wollte. Im Bestreben, dem Alarm auf den Grund zu gehen, trat Vögelein kurz ans Fenster und sah hinunter, doch es war kein Anlass zu erkennen.
    Mitten im größten Durcheinander wurde das Tuten plötzlich von einem Knacken und einer beruhigenden Stimme abgelöst: »Meine Damen und Herren, bitte bewahren Sie Ruhe! Ich wiederhole: Kein Grund zur Beunruhigung! Nach unseren bisherigen Feststellungen besteht keinerlei Brandgefahr, es scheint sich lediglich um einen Fehlalarm zu handeln. Bitte fahren Sie mit Ihren gewohnten Tätigkeiten fort, wir werden Sie in Kürze abschließend informieren. Ich wiederhole: kein Grund zur Beunruhigung.« Die Stimme aus den Lautsprechern verstummte. Kaum hörbar wurde sie durch dezente Musik ersetzt und unterstrich den Appell: Alles in Ordnung, Leute, wir haben die Lage voll im Griff!
    Scheißalarm, dachte Vögelein genervt, als ihm sein Job wieder einfiel. Doch kaum hatte er den Blick vom Lautsprecher über der Tür abgewandt, blieb ihm fast das Herz stehen. Ein Typ in grünem Kittel machte sich an Sammets

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