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Seeteufel

Seeteufel

Titel: Seeteufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
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das sein?
    Abermals beschleunigte Preuss seine Schritte. Der Flüchtende hatte, wenn’s hoch kam, einen Vorsprung von vielleicht vierzig Metern gehabt und war, als Preuss ihn aus den Augen verlor, gerade an den letzten Häusern vorbeigerannt, an die sich die schmale Grünanlage beiderseits des Stadtgrabens anschloss. Gleich dahinter lag das Franziskanertor. Preuss war sich ziemlich sicher, dass der Flüchtende weder durch einen Hauseingang noch über einen der Hinterhöfe entkommen sein konnte. Es war, als stünde der Kerl mit dem Teufel im Bunde!
    Plötzlich tauchten Wolf und Jo vor ihm auf, und Preuss verlangsamte seine Schritte. »Nichts«, kam er ihrer Frage zuvor und blickte heftig atmend auf den inzwischen wieder fließenden Verkehr. »Als hätte der Mensch sich in Luft aufgelöst.«
    Â»Dann kann er nur diesen Weg genommen haben«, erklärte Wolf und deutete auf einen Fußpfad, der in geringer Entfernung rechts abging und zum Stadtgraben hinunterführte. Die Reste der ehemaligen Stadtbefestigung, die man im Mittelalter in den weichen Molassefelsen gegraben hatte, zogen sich heute als schattige Grünanlage rings um die Altstadt, immer wieder durchsetzt mit zahlreichen Sträuchern und Baumgruppen.
    Für den Bruchteil einer Sekunde war es Preuss so gewesen, als hätte sich etwa dreißig Meter vor ihnen eine untersetzte Gestalt in die Büsche geschlagen. »Auf geht’s!«, rief er und rannte, ohne eine Antwort abzuwarten, den engen Weg bergab. Jo und Wolf konnten ihm kaum folgen. Schon tauchte er in das dichte Gewirr der Altstadtgassen ein. »Hier lang«, rief er über die Schulter zurück, um nach wenigen Schritten in die Steinhausgasse einzuschwenken. An einer neuerlichen Abzweigung, die links über die steile Turmgasse zur Franziskanerstraße hochführte, blieb er unschlüssig stehen.
    Â»Was ist?«, fragte Jo leicht außer Atem. Preuss wartete kurz, bis auch der nach Luft schnappende Wolf zu ihnen aufschloss.
    Â»Ich könnte schwören, dass er diese Gasse genommen hat«, knurrte Preuss. Sein Gesicht drückte Ratlosigkeit aus. »Vielleicht sollten wir uns trennen …«
    Â»Da!«, wurde er von Jo unterbrochen. Seine Augen folgten ihrem ausgestreckten Arm, der bergauf in die Turmgasse zeigte. Aus einem der Hauseingänge, etwa zwanzig Meter oberhalb ihres Standortes, war unvermittelt eine stämmige Gestalt geschlüpft, hatte mit wenigen Schritten die enge Gasse überquert und war einen Augenblick später zwischen zwei Fachwerkhäusern verschwunden. Kein Zweifel, das war ihr Mann! Vermutlich hatte er sich vorübergehend in einem der Hauszugänge verkrochen, in der irrigen Hoffnung, sie abgeschüttelt zu haben.
    Â»Worauf warten wir?«, rief Preuss und machte Anstalten loszusprinten.
    Doch Wolf hielt ihn zurück. »Immer mit der Ruhe«, meinte er gelassen. »Ich kenne diesen Hof. Er führt zu einem zurückgesetzten Gebäude, da kommt er nicht weit – es sei denn, er kann fliegen.«
    Â»Also sitzt er in der Falle!«, rief Jo befriedigt aus.
    Â»Sieht ganz so aus«, nickte Wolf.
    Â»Das glaub ich erst, wenn ich ihn am Schlafittchen habe«, meinte Preuss skeptisch und spurtete den Berg hinauf, dicht gefolgt von seinen beiden Kollegen. Sekunden später standen sie vor der Einfahrt, in der der Flüchtende verschwunden war.
    Wolf hatte sich nicht geirrt. Der Zugang, von zwei offen stehenden schmiedeeisernen Torflügeln flankiert, mündete in einen mit Pflastersteinen belegten Innenhof, in dem drei ältere Pkw parkten. Rechts und links wurde der Hof von den Mauern der benachbarten Gebäude begrenzt; die wenigen Fenster, die auf den Hof hinausgingen, waren geschlossen. Den rückwärtigen Abschluss des Areals bildete die Sandsteinfassade eines stattlichen, spitzgiebeligen Gebäudes, dessen Front teilweise von wilden Rosen überwuchert war und ein bisschen den morbiden Charme eines Dornröschenschlosses versprühte. Ganz offensichtlich hatte das Haus früher einmal bessere Tage gesehen. Ein schönes Objekt, schoss es Preuss durch den Kopf, da könnte man wirklich etwas draus machen, sofern man über das nötige Kleingeld verfügte.
    Er fasste den Eingang des Dornröschenschlosses näher ins Auge. Er lag etwa zwei Meter über dem Innenhof, eine ausgetretene Steintreppe mit kunstvoll geschmiedetem Metallgeländer führte

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