Seeteufel
Infusionsschläuchen zu schaffen, zwei, drei Sekunden nur, ehe er etwas auf das Bett warf, sich abrupt umdrehte und auf die Schleuse zulief â direkt in Vögeleins Arme.
Das war doch ⦠genau, das war dieser dickliche Kerl mit der getönten Brille und der silbergrauen Lockenpracht, der sich schon einmal für Sammet interessiert hatte. Vögelein wollte einen Besen fressen, wenn es sich bei dem Kerl um einen Arzt handelte! Kurz entschlossen packte er den Mann am Oberarm, um ihn am Weitergehen zu hindern. »Polizei! Bleiben Sie stehen, Sie sind vorläufig festgenommen!«, rief er und bemühte sich um eine markige Stimme, während er mit der freien Hand nach den Handschellen in seiner Hosentasche fingerte.
Das hätte er besser nicht getan, denn anders, als das ÃuÃere des Mannes vermuten lieÃ, war dieser keineswegs unsportlich. Mit einer leichten Drehung entledigte er sich Vögeleins Arm, ehe er ihn packte und an sich zog, um ihm das rechte Knie zwischen die Beine zu rammen, worauf Vögelein wie ein Taschenmesser zusammenklappte und, heftig nach Luft ringend, zu Boden ging. Fass ihn, Sammet, hol dir das Schwein, war Vögeleins letzter Gedanke, ehe der Schmerz ihn gänzlich übermannte. Sammet jedoch lag noch immer bewegungslos in seinem Bett, sodass der Täter, ohne von jemand daran gehindert zu werden, in Richtung Schleuse entschwand. Der Mann, der ihm dabei von der anderen Seite entgegenkam, wurde von dem ungestüm Hinauseilenden beinahe umgerissen.
»Was für ein stürmischer Empfang«, wunderte sich Kriminalkommissar Hartmut Preuss, Vögeleins Ablösung. Trotz seiner kaum dreiÃig Jahre ein exzellenter Ermittler und im Ãbrigen gut trainiert, gehörte er eigentlich dem Dezernat 3 an, der Abteilung für Wirtschaftskriminalität. Die Tatsache jedoch, dass sich Wolf und sein Kollege Marsberg bei Personalengpässen immer wieder gegenseitig aushalfen, hatte ihn an diesem Tag hierher geführt. Wolf war der Meinung gewesen, die zierliche Jo nicht zu einem so gewagten Einsatz schicken zu können, weshalb er sich Preuss ausgeliehen hatte, der zweifellos über die besseren körperlichen Voraussetzungen verfügte.
Als Preuss Vögelein am Boden entdeckte, reichten ihm Sekundenbruchteile, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Mehrere Schwestern waren herbeigeeilt, hatten sich zu Vögelein hinabgebückt und tätschelten ihm die Wangen, ein Pfleger kam mit einer Trage gelaufen. An Sammets Bett sah er zwei Ãrzte stehen, von denen sich der eine um Sammet bemühte, während der andere die Schläuche und Kabel entfernte.
Hatte Wolf, der alte Fuchs, also wieder einmal recht behalten! Preuss hatte insgeheim bezweifelt, dass Wolfs Rechnung aufgehen würde. Die Falle war ihm reichlich plump erschienen. Doch was wussten sie schon von diesen Leuten? Vielleicht waren die nicht annähernd so ausgebufft, wie es die drei Arsenmorde vermuten lieÃen. Oder sie hatten einfach nicht so früh mit einem Angriff gerechnet.
Preuss wischte diese Ãberlegungen kurzerhand beiseite. Noch war es nicht zu spät, die Verfolgung des Täters aufzunehmen. Den Aufzug links liegen lassend, spurtete er die Treppe hinab, nahm zwei, drei Stufen auf einmal und rannte, unten angekommen, durch das belebte Foyer dem Ausgang zu.
Als er die Tür erreichte, nahm er gerade noch wahr, wie ein weià gelockter, stämmiger Mensch auf eine rote Suzuki stieg und mit solcher Vehemenz davonpreschte, dass das Vorderrad der Maschine ähnlich einem wild gewordenen Hengst in die Höhe stieg und den überraschten Preuss in einer Wolke aus Staub zurücklieÃ.
Nun war guter Rat teuer. Preussâ Wagen stand am hinteren Ende des lang gezogenen Parkplatzes â zu weit, um dorthin zu sprinten, bis dahin wäre der Täter über alle Berge. Preuss lief noch ein paar Schritte hinter der Maschine her und wich dabei einem Wagen aus, dessen Fahrer auf der Suche nach einem freien Parkplatz nahe dem Eingang herumkurvte â als es in seinem Kopf »Klick!« machte. Plötzlich wusste er, was zu tun war. Ohne Zögern lief er um den Wagen herum, riss die Fahrertür auf und rief in scharfem Ton »Polizei!«, dabei hielt er dem eingeschüchterten Fahrer seinen Dienstausweis unter die Nase. »Steigen Sie aus! Ihr Wagen ist für einen Polizeieinsatz konfisziert!« Und weil der Mann, von dem Ãberfall wie gelähmt,
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