Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seeteufel

Seeteufel

Titel: Seeteufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
Vom Netzwerk:
gewöhnt, an das ständige Piepsen und Zischen der lebenserhaltenden Geräte, die zur Intensivstation gehörten wie das Brummen der Triebwerke zu einem Flugzeug. Er hatte die Schwestern, Pfleger und Ärzte, die auf der Station arbeiteten, inzwischen alle mehrfach gesehen. Immer wieder hatte jemand in der Nähe zu tun oder ging an Sammets Bett vorbei, viele nickten ihm zu. Niemand schien sich darüber zu wundern, dass Vögelein die ganze Zeit über an Sammets Bett saß, offensichtlich war das Personal über den Grund seines Hierseins instruiert worden.
    Irgendwann hatte er vom Sitzen genug. Er wollte sich wenigstens mal kurz die Beine vertreten, und vielleicht ließ sich bei dieser Gelegenheit gleich eine Tasse Tee oder ein Mineralwasser auftreiben. Als er sich umblickte, sah er auf einem Wagen unweit von Sammets Bett eine Batterie Flaschen stehen. Da im Augenblick weit und breit niemand zu sehen war, den er um Erlaubnis fragen konnte, schlenderte er kurzerhand zu dem Wagen hinüber und wählte sich ein Mineralwasser aus. Er hatte keineswegs das Gefühl, dadurch seine Dienstpflichten zu verletzen, schließlich blieb er in Sammets unmittelbarer Nähe.
    Gerade wollte er sich wieder auf den Rückweg machen, da sah er plötzlich einen Arzt an Sammets Bett stehen. Wo zum Teufel kam der Kerl plötzlich her? Und noch etwas war merkwürdig: Diesem Mann war er bisher nicht begegnet; seine füllige Statur, die getönte Brille und vor allem der silbergraue Wuschelkopf wären ihm ganz bestimmt aufgefallen.
    Vögelein war alarmiert. In seiner Aufregung ließ er sogar die Flasche stehen, so schnell flitzte er an Sammets Bett zurück. Der Arzt war durch Vögeleins Auftauchen aber keineswegs beunruhigt. Seelenruhig beendete er die Überprüfung der Schläuche, ehe er sich Vögelein zuwandte. »Bei Ihnen alles in Ordnung?«, fragte er ihn mit freundlicher Miene.
    Misstrauisch fixierte Vögelein zuerst die Schläuche, dann den Mediziner. Wie sollte er sich verhalten? Er wollte nicht unhöflich erscheinen, der Mann schien schließlich nichts Unrechtes getan zu haben. »Wir kommen klar«, gab er knapp zur Antwort und blinzelte Sammet unmerklich zu. Wie’s aussah, gehörte der Kerl tatsächlich hierher.
    Â»Sie beide haben’s auch nicht leicht, was?«, stellte der Arzt mitfühlend fest. »Aber trösten Sie sich, morgen ist sicher alles vorbei!« Dabei tätschelte er Sammets Schulter und entfernte sich mit einem Kopfnicken in Richtung Schleuse.
    Komischer Typ, dachte Vögelein. Irgendetwas stimmte nicht mit dem Kerl, aber er kam ums Verrecken nicht drauf, was es war.
    * * *
    Die Frau, die Karin Winter im Wagen bis zur Birnau nachgefahren war und die auch während des Aufenthaltes in dem Gotteshaus kein Auge von ihr gelassen hatte, folgte ihr unauffällig aus der Kirche hinaus. Eine geschlagene halbe Stunde hatte die Winter darin zugebracht. Ohne nach links oder rechts zu blicken, marschierte sie nun zu ihrem Wagen. Es dauerte einige Zeit, bis sie den Schlüssel aus ihrer Tasche gekramt und die Tür aufgeschlossen hatte. Ist wohl nicht richtig bei der Sache, die Gute, dachte die Frau. Schließlich startete die Journalistin den Motor und fuhr los.
    Fast gleichzeitig schob sich der weiße Fiat mit der Frau am Steuer aus einer etwas entfernt liegenden Parkbucht und folgte dem Cabrio in gebührendem Abstand. Ja nicht auffallen, war ihre oberste Devise. Bis jetzt jedenfalls schien es, als hätte die Winter nicht bemerkt, dass sie beschattet wurde. Die Frau am Steuer entspannte sich allmählich. Schon erstaunlich, wie manche Menschen sich im Alltag bis zur Selbstaufopferung verleugneten; nie im Leben hätte sie bei der taffen Journalistin so viel Frömmelei vermutet. Allein bei der Vorstellung daran begann die Frau zu kichern.
    An der Einmündung in die B 31 hatte sich Karin Winter links eingeordnet, Sekunden später schwamm sie bereits im Strom der Fahrzeuge in Richtung Überlingen. Gut so, dachte die Frau, sie fährt auf dem kürzesten Weg in die Redaktion zurück. Blieb zu hoffen, dass sie künftig ihre Finger von der Sache ließ; alles andere würde ihr auch schlecht bekommen!
    Fast hätte sie sich selbst auf die Schulter geklopft, schließlich hatte sie ihren Auftrag absolut professionell erledigt. Nicht einen Augenblick lang hatte sie das Gefühl gehabt, entdeckt worden zu sein.

Weitere Kostenlose Bücher