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Seeteufel

Seeteufel

Titel: Seeteufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
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der Anblick mehr als erstaunlich. Fast die gesamte Innenfläche des Gebäudes war ausgebeint worden, lediglich die altersgrauen, handbehauenen Stützbalken waren stehen geblieben. Kein Wunder, dachte Wolf, dass es so hallte! Entstanden war ein Raum, der einem Tanzsaal glich. Allerdings schien er im Augenblick weniger irgendwelchen Lustbarkeiten als vielmehr streng spirituellen Exerzitien zu dienen – zumindest drängte sich Wolf dieser Eindruck auf, nachdem sich seine Augen etwas an das Zwielicht gewöhnt hatten.
    Auf schmalen, ringsumlaufenden Borden flackerten Unmengen von Kerzen, und mitten im Raum gewahrte er eine seltsame Menschenansammlung. Gut dreißig Personen in schlichten, weißen Leinenumhängen, zumeist ältere Frauen, scharten sich um eine Art Priester, der, obwohl sichtlich ergraut, über eine beeindruckende Statur verfügte und sich vor allem dadurch abhob, dass er als Einziger einen weißen Anzug trug – bestimmt nicht von der Stange, sondern nach Maß gefertigt, wie Wolf widerwillig konstatierte. Unfreundlich starrten sie auf die drei Störenfriede, die sie aus ihrem monotonen, wechselseitigen Sprechgesang gerissen hatten.
    Wolf fehlten die Worte! In welche Schmierenkomödie waren sie da hineingeraten? Und wo war der Flüchtende abgeblieben, hinter dem sie her waren? Schnell wechselte er einen Blick mit seinen Kollegen. Mehr und mehr schien sich die Verfolgungsaktion als grandioser Reinfall zu entpuppen.
    Der Priester nahm das Heft in die Hand, indem er beschwörend ein silbernes Kreuz in die Höhe streckte. Mit dieser Geste zog er die Blicke seiner Anhänger auf sich, das aufkommende Murren verebbte.
    Â»Meine Brüder, meine Schwestern, der Herr ist mit uns! Beruhigt euch bitte, sicher können wir unsere Messe gleich fortführen.« Er wandte sich an die drei Polizisten. »Würden Sie uns sagen, wer Sie sind und was Sie von uns wollen? Ich darf wohl annehmen, dass Sie nicht die Suche nach unserem Herrn Jesus Christus hierher geführt hat?«
    Die drei traten näher an die Gruppe heran, und Wolf zückte seinen Dienstausweis. »Kripo Überlingen, mein Name ist Wolf, das hier sind meine Kollegen Preuss und Louredo. Wir sind auf der Suche nach einem Täter, der sich nach unserer Kenntnis in dieses Gebäude geflüchtet hat. Haben Sie in den letzten Minuten jemand hereinkommen sehen?«
    Â»Nein, niemand«, antwortete der Mann im weißen Anzug und hob erneut das Kreuz in die Höhe, »meine Brüder und Schwestern werden Ihnen das gerne bestätigen.« Ringsum ertönte zustimmendes Gemurmel. »Wir sind hier zusammengekommen, um Zwiesprache zu halten mit Gott, unserem Schöpfer, und Jesus Christus, seinem …«
    Â»Ich unterbreche Sie ungern, aber uns läuft die Zeit davon. Gibt es noch eine andere Möglichkeit, das Haus zu betreten außer durch diese Tür da?«
    Â»Wie? … Nein, keine.«
    Ein rothaariger Enddreißiger löste sich aus dem Umfeld des Priesters. Er unterschied sich auffallend von den meist gebeugten Gestalten ringsum – nicht nur durch seine relative Jugend, sondern vor allem auch durch den sportlich trainierten Körperbau. »Hören Sie, Sie stören den Meister bei der Ausübung unserer Heiligen Messe. Sie kennen nun die Antwort auf Ihre Frage. Bitte lassen Sie uns fortfahren, um des Herrn willen.«
    Erneut wurde zustimmendes Gemurmel laut, und die Weißkutten schickten sich an, einen Ring um die Polizisten zu bilden. Wolf zeigte sich unbeeindruckt. »Wer ist der Verantwortliche hier … ich meine, wer leitet die Messe? Sind Sie das?« Damit sprach er den Grauhaarigen im weißen Anzug an.
    Â»Gott, unser Schöpfer, gab mir die Macht …«
    Wolf ließ ihn nicht ausreden. »Wie kommt man in das Untergeschoss? Schnell, bitte, wir müssen einen Blick in die unteren Räume werfen.«
    Â»Das ist übrigens auch zu Ihrem Schutz, falls doch jemand unbemerkt hier eingedrungen sein sollte«, ergänzte Preuss drängend. »Also, wo sind die Treppen?«
    Der Grauhaarige wies mit dem Kreuz in eine Ecke, wo im Zwielicht so etwas wie Treppen auszumachen waren, die in die oberen und unteren Etagen führten.
    Â»Preuss, du nimmst die oberen Stockwerke, Jo und ich gehen ins Untergeschoss«, ordnete Wolf an und marschierte los.
    Wenig später waren sie wieder draußen, von einer strahlenden Herbstsonne

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