Seeteufel
sie einen Moment lang abgelenkt gewesen war. Schon stand der Mann erneut und hob keuchend den rechten Arm â als etwas mit einem dumpfen Plopp auf seinen Schädel niedersauste und die Zeit plötzlich stillzustehen schien.
Benommen fasste sich der Mann an den Kopf und betrachtete mit ungläubigem Gesichtsausdruck seine blutverschmierten Finger, ganz so, als verstünde er die Welt nicht mehr. Im Schein der Lampe erkannte Jo sein Gesicht. Ihre Ahnung hatte nicht getrogen: Ihr Gegner war der Penner mit dem weiÃen Golf gewesen, jeder Zweifel war ausgeschlossen!
Und als hätte jemand auf »Starten« gedrückt, kam plötzlich wieder Leben in die Szene. Wie vom Teufel gejagt drehte der Mann sich um. So schnell ihn seine Beine trugen, rannte er dem hinteren Ausgang zu; der Strahl der ominösen Handlampe folgte ihm, bis er durch die Tür verschwand. Währenddessen hatte sich auch Jo erhoben, doch noch ehe sie ihren Retter ansprechen konnte, eilte der, ein wunderliches Kichern ausstoÃend, dem vorderen Ausgang zu. Dabei zog er ein Bein nach, als wäre es verletzt â oder einfach zu kurz.
Der Lichtschein verlor sich am jenseitigen Hallenende. Das Deckenlicht flammte auf, eine Tür schlug zu.
Dann herrschte Stille.
*Â *Â *
Erst nach dem siebten Klingeln meldete sich Wolf. Er schien über Jos Anruf nicht sonderlich erfreut.
»Tut mir leid, Chef, falls ich Sie aus den Federn geholt habe. Aber es ist wichtig!«
»Hat das nicht Zeit bis morgen? Sommer und ich sitzen gerade beim Essen«, brummte er unwirsch.
»Wenn Sie meinen! Erzähl ich Ihnen eben morgen früh, was ich über Göbbels herausgefunden habe â¦Â«
»Moment mal ⦠sagtest du Göbbels?«
»Richtig.«
»Ich bin ganz Ohr.«
»Sie können den Kriminalrat jetzt unmöglich warten lassen, Chef.«
»Mach jetzt keine Sperenzchen, dafür ist die Sache zu wichtig!«
»Meine Rede!«, maulte Jo zurück. In aller Kürze schilderte sie ihm ihr Erlebnis mit dem Golffahrer.
»Einen Augenblick«, bat Wolf. Jo hörte ein paar gedämpfte Worte, vermutlich an Sommer gerichtet. »Entschuldige. Und der dich überfallen hat, ist dann geflüchtet, sagtest du?«
»Wenn ichâs Ihnen doch sage. Der Kerl muss wie der Teufel zu seinem Wagen gelaufen sein. Jedenfalls ist der Golf weg.«
»Hmm ⦠und wann taucht endlich Göbbels in der Geschichte auf?«
»Ich dachte, Sie hättenâs verstanden, Chef. Muss wohl am Wein liegen. Also noch mal: Der Mann, der mich am Schluss rausgehauen hat, der hatte so einen schleppenden Gang, verstehen Sie?«
»Verstehe! Daraus hast du messerscharf geschlossen, dass es sich um Göbbels handelt, richtig?«
»Spricht doch alles dafür, oder?«
»Also, ich weià nicht â¦Â« Wolf schien kurz zu überlegen. »Wir machen Folgendes: Du rufst die Funkleitzentrale an, sie sollen den Golf mitsamt seinem Fahrer in die GroÃfahndung geben, sofort ⦠du hast doch das Kennzeichen?«
»Chef â¦Â«, setzte Jo zu einer scharfen Erwiderung an.
»Ist ja gut! Und vergiss die Halteranfrage nicht. Bin gespannt, auf wen der Wagen zugelassen ist. Ãber alles Weitere reden wir dann morgen früh, einverstanden?«
6
Als Wolf am darauffolgenden Morgen im »Aquarium« eintraf, wurde er bereits auf dem Flur von Jo abgefangen.
»Ihr Barett«, sagte sie und deutete auf seinen Kopf.
»Was ist damit?«
»Gleich rutschtâs Ihnen vom Kopf.«
Mürrisch rückte er die Kopfbedeckung zurecht. »Sonst noch was?«
»Ja. Kollege Marsberg hat Geburtstag. Wenn ich also um Ihre Spende bitten dürfte, Chef?« Wie um ihre Worte zu unterstreichen, hielt sie Wolf eine zur Sammelbox umfunktionierte bunt bedruckte Schachtel hin. »Sie sind übrigens der Letzte.«
»Die Letzten werden ⦠na ja, du weiÃt schon.« Damit zog er seine Geldbörse aus der GesäÃtasche, klappte sie auf und entnahm ihr einen Zehn-Euro-Schein, den er nach mehrmaligem Zusammenfalten in die Sammelbox steckte. »Zufrieden?«
Mit einem Nicken zog Jo davon, während Wolf in sein Büro verschwand. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als eine Viertelstunde in Ruhe gelassen zu werden. Leider wurde seine Bitte nicht erhört, denn bereits zwei Minuten später klopfte es an der Verbindungstür. Jo und Vögelein drängten
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