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Seeteufel

Seeteufel

Titel: Seeteufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
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deren Nähe die beiden Männer eben noch standen, hatte ihren Geist aufgegeben. Nun wurde es erst so richtig brenzlig! In der totalen Finsternis konnte Jo weder vor noch zurück, ohne zu riskieren, dass sie irgendwo anstieß und ihren Standort verriet. Im Zeitlupentempo streckte sie ihre Hände aus und tastete das Bootsregal neben sich ab. Vielleicht erfühlte sie ja einen Gegenstand, mit dem sie sich notfalls wehren konnte. Wenn nicht, blieb ihr wohl nichts anderes übrig, als unbeweglich an ihrem Platz zu verharren. Sollte sie der geheimnisvolle Unbekannte ruhig suchen und dabei das Risiko eingehen, sich selbst zu verraten. Irgendwann würde er die Geduld verlieren, entnervt aufgeben und das Licht anknipsen, dann konnte sie sich mit gezogener Waffe wehren oder notfalls zum Ausgang stürmen und Unterstützung herbeitelefonieren.
    Unversehens bekam sie bei ihren Tastversuchen einen länglichen Gegenstand zu fassen. Sie hatte keine Ahnung, um was es sich handelte, spürte nur, dass er sich kalt und schwer anfühlte, also musste er aus Metall sein. In diesem Augenblick war sie jenem Unbekannten von Herzen dankbar, der das Teil hier deponiert hatte, und beschloss, ihn in ihr Nachtgebet aufzunehmen. Beinahe wäre ihr der Gegenstand beim Hochnehmen aus der Hand geglitten, im letzten Augenblick konnte sie das gerade noch verhindern. Da hätte sie auch gleich »Hier bin ich, holt mich hier raus!« rufen können! Immerhin begriff sie, dass der Lärm, der sie vorhin so erschreckt hatte, auf genau diese Weise zustande gekommen sein musste.
    Vielleicht war das Beinahe-Malheur aber auch ein Wink des Schicksals. Sie zwang sich zu konzentriertem Nachdenken, ehe sie kurz entschlossen das schwere Metallteil packte und es mit aller Wucht weit von sich schleuderte, nach vorne in Richtung See.
    Der Aufschlag war ohrenbetäubend! Noch während Jo auf die erhoffte Reaktion des geheimnisvollen Unbekannten wartete, trat sie auch schon ein, wenngleich ganz anders als erwartet: Urplötzlich warf sich ein massiger Körper auf sie und drückte sie zu Boden.
    Vielleicht hatte der Mann gedacht, leichtes Spiel mit ihr zu haben, immerhin war das Überraschungsmoment auf seiner Seite. Doch anders als zuvor, als Jo gegen diffuse Ängste ankämpfte und den potenziellen Gegner mehr ahnte, als dass sie ihn sah, war er nun im wahrsten Sinne des Wortes körperlich greifbar – und damit angreifbar! Verzweifelt versuchte sie, den Mann von sich zu stoßen, doch konnte sie gegen sein immenses Gewicht kaum etwas ausrichten. Mit beiden Händen griff er an Jos Hals, offensichtlich wollte er ihr die Luft abschnüren, um zu verhindern, dass sie zu schreien begann.
    Mit mir nicht, dachte Jo, deren Kampfgeist erwacht war. Sie riss mit aller Macht an seinen Armen, da schoss ihr ein Gedanke durch den Kopf. Auf der Polizeischule hatte man ihr bei den verschiedensten Kampfsportlehrgängen immer und immer wieder eingeschärft, ihre Bauchregion, insbesondere den Solarplexus, das größte Nervenknotengeflecht des vegetativen Nervensystems, niemals ungeschützt zu lassen. Galt das im Umkehrschluss nicht auch für ihren Gegner?
    Ein Gefühl ohnmächtiger Wut überkam sie. Intuitiv ließ sie seine Arme los, und noch ehe sich ihr Gegner von seiner Überraschung erholt hatte, stachen Zeige- und Mittelfinger ihrer rechten Hand tief in seinen wunden Punkt, den Solarplexus – mit höchst frappierender Wirkung: Als litte er unter akuter Atemnot, sogen sich seine Lungen mit einem pfeifenden Geräusch voll Luft, seine Hände erschlafften, kraftlos sank er neben Jo zu Boden und hielt sich röchelnd den Bauch.
    Erleichtert rollte sie sich zur Seite und sprang auf. Nur schnell aus der Reichweite dieser Arme kommen, war ihr erster Gedanke. Obwohl sie den Blick kaum von dem dunklen Bündel am Boden wandte, entging ihr der schwache, eigenartig schwankende Lichtpunkt nicht, der sich von der Eingangstür her rasch auf sie zubewegte. Hatte ein weiterer Akteur die Bühne betreten? Und wenn ja: Um wen handelte es sich, welche Rolle spielte er? Die Tatsache, dass er seine Handlampe der Hallenbeleuchtung vorzog, ließ jedenfalls nichts Gutes erwarten.
    Während Jo noch überlegte, was sie tun sollte, wurden ihr plötzlich die Beine unter dem Körper weggerissen. Schneller als erwartet hatte sich ihr Gegner erholt und sie mit einer gekonnten Beinschere gefällt, während

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