Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seeteufel

Seeteufel

Titel: Seeteufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
Vom Netzwerk:
Chef hat für zehn Uhr eine Lagebesprechung angesetzt«, rief Jo ihm kopfschüttelnd hinterher.
    Ob Vögelein den Sermon, den er da verzapfte, selber glaubte? Vermutlich ja. Sie wusste, dass Hypochondrie im weitesten Sinne als Krankheit galt, nicht umsonst lautete die medizinisch korrekte Bezeichnung »hypochondrische Neurose«. Wäre es anders gewesen, hätte sie sich über Vögeleins Fehlinterpretationen körperlicher Zeichen und Empfindungen bestens amüsiert. So aber gefror ihr Lachen oft zu einer Maske, schließlich lag ihr nichts ferner, als sich über ihn lustig zu machen. Er war, von der Hypochondrie mal abgesehen, ein ganz brauchbarer Kollege, auf seine kriminalistischen Fähigkeiten jedenfalls hielt sie große Stücke.
    Die nachfolgende Stunde verbrachte Jo damit, mit der Spurensicherung und dem Labor zu telefonieren und die erhaltenen Informationen zu protokollieren. Anschließend schaute sie im Büro der Soko vorbei. Sie wollte Vögelein entschuldigen und sich – für den Fall, dass er bis zehn Uhr nicht zurück sein sollte – über die aktuellen Ergebnisse der Sonderabteilung unterrichten lassen.
    Zu Jos Überraschung hatte Wolf Wort gehalten: Zwei Minuten vor zehn stapfte er in ihr Büro, wünschte ihr aufgeräumt einen guten Morgen und fügte hinzu, von ihm aus könne die Lagebesprechung pünktlich beginnen. Irritiert sah er auf den leeren Stuhl vor dem zweiten Schreibtisch. »Wo ist Hanno?«, fragte er mit erhobenen Brauen, und als hätte Vögelein nur auf dieses Stichwort gewartet, betrat er just in diesem Augenblick den Raum und gab Jo verstohlen ein Zeichen, die Sache mit dem Arztbesuch für sich zu behalten.
    Â»Wir sind komplett, es kann losgehen«, stellte Jo fest, schnappte Block und Schreibzeug und machte sich auf den Weg in Wolfs Büro. Auf dem Konferenztisch stand bereits eine Kanne Kaffee nebst den erforderlichen Utensilien. Was Vögelein anbetraf, so hatte er heute auf sein Mineralwasser verzichtet – Jo vermutete, er wolle seinen Tumor nicht reizen.
    Â»Soll ich anfangen?«, fragte Jo, als sie Platz genommen hatten. Wolf nickte zustimmend.
    Sie überflog kurz die ersten Stichworte auf ihrem Block, dann hob sie den Kopf. »Bei mir geht es um vier Punkte, die ich mal schnell zusammenfasse. Den wichtigsten vorneweg: Ich habe den Herkunftsort des Rinderauges gefunden. Es handelt sich um ein fleischverarbeitendes Unternehmen in Singen. An einem speziellen Arbeitsplatz ist dort ein Mann nur mit dem Zerlegen von Rinderköpfen beschäftigt, ein Pole namens Kacinsky. Alles, was nicht verwendet wird, also auch die Augen, wirft dieser Kacinsky in einen Abfallcontainer. Am vergangenen Dienstagabend nun tauchte überraschend ein unbekannter Mann bei ihm auf und wollte so ein Auge haben.«
    Â»Beschreibung?«, fragte Vögelein.
    Â»Ungefähr einssiebzig groß, füllige Statur, üppiger, fast weißer Haarschopf.«
    Â»Sieh mal einer an«, murmelte Wolf. »Entschuldige bitte. Weiter.«
    Â»Der Pole hat ihm ein Auge mitgegeben. Ich gehe davon aus, dass er dafür Geld bekommen hat, auch wenn er das Gegenteil behauptet. Wenn es allerdings nach dem Betriebsleiter gegangen wäre, hätte ich das nicht erfahren, er hat Kacinsky gleich bei meinem Eintreffen weggeschickt. Als ich den Mann schließlich doch noch zu fassen bekam, wurde er sogar regelrecht feindselig. Hat wohl nicht gedacht, dass ich so tief graben werde. Am Ende hätte er mich fast hinausgeworfen.«
    Â»Wieso das denn? Versteh ich nicht«, warf Vögelein träge dazwischen.
    Â»Ging mir zunächst auch so. Aber die Erklärung liegt auf der Hand: Ich nehme an, dass zumindest ein Teil der Belegschaft – wie’s aussieht Osteuropäer – nicht angemeldet ist, also schwarzarbeitet. Vermutlich hat er sich anschließend die Haare gerauft, dass er mich überhaupt in die Halle mitgenommen hat.«
    Â»Das wäre ja ein dicker Hund«, gab Wolf seiner Überraschung Ausdruck und griff nach seiner Tasse. »Du solltest sofort die Kollegen vom Zoll verständigen.«
    Â»Längst passiert. Weiter zu Punkt zwei: Der Anruf vom Leiter des Standesamtes gestern Abend. Demnach gibt es eine neue Tote.« An Vögelein gewandt gab sie mit knappen Worten den Inhalt des Telefonates wider.
    Nun war selbst Vögelein alarmiert, für kurze Zeit wich alle Schlaffheit aus seinem

Weitere Kostenlose Bücher