Seeteufel
Kopf hin und her. »Wer sind diese Männer?«
»Sie werden in Ãberlingen verschiedener Straftaten verdächtigt, möglicherweise im Zusammenhang mit dem bei Ihnen entwendeten Arsen.«
Noch einmal sah sich die Frau die beiden Gesichter genau an. Sie schloss die Augen, als spüre sie einem Bild in ihrer Erinnerung nach, bis sie unvermittelt den Kopf hob und den Blick auf Wolf richtete. »Was die Frisuren und die Gesichter angeht, ist meine Erinnerung etwas schwammig, muss ich gestehen. Aber an eines erinnere ich mich jetzt wieder genau: Einer der beiden Männer â der etwas pummelige, der zusammenbrach â hatte eine Warze unter dem Kinn, genau wie auf dieser Zeichnung. Ich dachte noch, irgendwie sieht das Ding komisch aus, so, als wäre es gar nicht echt.«
»Und was ist mit dem zweiten Mann?«
»Nun ⦠auch da bin ich mir nicht sicher ⦠allerdings, je länger ich mir das Gesicht ansehe, desto eher passt es zu meiner Erinnerung.«
Es hätte nicht viel gefehlt, und Wolf hätte einen Freudensprung getan. Die Zeugin hatte ihnen soeben den ersten ernst zu nehmenden Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen dem Arsendiebstahl in Augsburg und den Morden in Ãberlingen geliefert. Sollte sich das bestätigen, käme es einem Durchbruch gleich.
»Wieso haben Sie uns das nicht schon bei der ersten Vernehmung gesagt, damals, kurz nach der Tat?«, fragte Jakoby leicht angesäuert.
»Tut mir leid, Herr Kommissar. Es fiel mir erst jetzt wieder ein, nachdem ich das Bild hier sah.«
»Und Sie sind sich ganz sicher?«, hakte Wolf noch einmal nach.
»Absolut.«
*Â *Â *
Jo schaltete den Rechner aus und steckte ihren Notizblock in die Umhängetasche. Es war kurz vor halb fünf. Heute würde sie ausnahmsweise einmal früher Schluss machen. Sie hatte das Wichtigste abgearbeitet, vor allem aber musste sie sich noch für den Abend umziehen und etwas herrichten. Tom Schürmann sollte nicht denken, er hätte sich mit einem Trampel zum Essen verabredet.
In Rekordzeit hatte sie den Bericht über ihren heutigen AuÃeneinsatz geschrieben. Jetzt musste sie nur noch die Ausdrucke auf Wolfs Schreibtisch legen und schleunigst das Weite suchen â da klingelte ihr Telefon. Sofort beschlich sie eine dunkle Ahnung, wie so oft, wenn sie Wolfs Mobilfunknummer auf dem Display erkannte.
»Hallo, Chef. Sie haben Glück, dass Sie mich noch erreichen. Ich muss heute früher Schluss machen«, meldete sie sich mit forscher Stimme. Er sollte ruhig wissen, dass sie bereits auf dem Absprung war. Wenn Sie an die vielen Ãberstunden auf ihrem Zeitkonto dachte, hatte sie sich diesen freien Abend redlich verdient.
»Du hastâs gut«, antwortete Wolf mit ungewohnt matter Stimme, »ich muss heute Abend noch Kontaktpflege betreiben.«
»Der Kollege aus Lindau?«
»Derselbe.«
»Denken Sie an Ihre Leber.«
Wolf ging nicht darauf ein. Stattdessen erklärte er, nicht vor zehn am folgenden Morgen zurück sein zu können, leider, leider, aber für zwischenkollegiale Beziehungen müsse man eben manchmal Opfer bringen.
»Und wie ist es sonst gelaufen? Gibtâs neue Erkenntnisse?«, fragte Jo.
»Kann man so sagen, doch du musst dich gedulden. Wir tauschen uns morgen aus, ja? Ich muss jetzt los.«
Jo atmete auf. Gott sei Dank war der Kelch an ihr vorübergegangen, der freie Abend gerettet.
»Ach ja, eine Kleinigkeit noch«, schob Wolf nach, »wir müssen unbedingt wissen, welcher Art das Arsen ist, das bei unserer Mordserie verwendet wurde. Die genaue chemische Formel, du weiÃt schon. Wäre schön, wenn du noch schnell den Obduktionsbericht heraussuchen und die Werte, die dort stehen, ans Labor durchgeben könntest, damit die das bestimmen können. Ansonsten sehen wir uns morgen, tschüss!« Verdammter Mist! Hätte sie das Gespräch nur nicht angenommen. Das würde ihr so schnell nicht noch mal passieren. Sie suchte die Daten aus dem Wust von Papieren heraus und schrieb eine E-Mail an das Labor. Dann sah sie auf die Uhr: Noch konnte sie es schaffen. Eilig riss sie ihre Tasche an sich und verlieà das Büro.
Sie hatte die Tür noch nicht geschlossen, als das Telefon erneut klingelte. Augenrollend eilte sie noch einmal zurück und nahm den Hörer auf. Nein, es war nicht Wolf, wie sie durch einen schnellen Blick auf das Display feststellte. Der Nummer
Weitere Kostenlose Bücher