Seeteufel
Gesicht. Wolf fingerte reflexartig nach seinen Zigaretten. Er lieà erst davon ab, als er sich der warnenden Blicke seiner Mitarbeiter bewusst wurde. »Du hast die Leiche zur Rechtsmedizin schaffen lassen?«
»Klar.«
»Okay, weiter zu Punkt drei«, brummte er.
Jo goss noch einmal Kaffee nach, ehe sie einen kurzen Blick auf ihre Notizen warf und fortfuhr: »Die Spurensicherung teilt mit, dass die Fingerabdrücke auf dem Boot, in dem die beiden toten Stadtstreicher gefunden wurden, mit denen auf der Wodkaflasche aus dem Kellerloch identisch sind. Und zum letzten Punkt, er betrifft Ihre Frage von gestern Abend, Chef: Das Labor hat inzwischen die Spezifizierung des verwendeten Arsens hereingegeben.« Jo legte ein Schreiben vor ihn hin. Mit gierigen Fingern grabschte Wolf nach dem Blatt, um es zu überfliegen, offenbar auf der Suche nach einer ganz bestimmten Angabe. SchlieÃlich schien er fündig geworden zu sein, mit zufriedenem Lächeln legte er das Schriftstück beiseite.
»Warâs das?«, vergewisserte er sich mit einem fragenden Blick auf Jo, um sich nach deren Nicken Vögelein zuzuwenden. »Du bist dran, Hanno. Was macht die Soko?«
Hanno Vögelein räusperte sich. Er hatte seinen Schal inzwischen abgelegt, die Leidensmiene vom frühen Morgen war einem eher gefassteren Ausdruck gewichen. Jo bedauerte, dass sie das Ergebnis seines Arztbesuches nicht erfahren hatte; vermutlich hatte ihn der Mediziner ordentlich in den Senkel gestellt.
»Wir hatten bis heute früh zweiundsiebzig direkte Kontakte, dazu weitere sechs, die vom âºSeekurierâ¹ an uns weitergeleitet wurden. Gut drei Viertel davon haben wir bereits abgearbeitet, darunter auch jene vier, die besonders vielversprechend klangen. Zuerst meldete sich Grasmück ⦠Sie erinnern sich doch an Grasmück, Chef?«
»Grasmück? Nie gehört.«
»Aber natürlich, Chef, dieser Rentner, der im Haus von Karin Winter wohnt. Ihm sei die Nummer des Wagens wieder eingefallen, den der Augenfetischist ⦠äh, ich meine natürlich: den der Einbrecher unweit des Winterâschen Hauses abgestellt hatte. Auf diese Nummer war jedoch, wie sich herausstellte, kein grauer Audi zugelassen. Ich habe dann spaÃeshalber nach Zahlenkombinationen gesucht, die entstehen, wenn geeignete Ziffern auf einfache Art mit schwarzem Klebeband verändert werden, wenn also beispielsweise aus einer Eins eine Vier gemacht wird. Auf diesem Weg konnten wir tatsächlich einen älteren grauen Audi ermitteln. Allerdings hielt sich unsere Freude in Grenzen. Da war nämlich noch ein zweiter Anruf, und jetzt halten Sie sich fest, Chef: Einer jungen Frau, die ein paar Häuser weiter wohnt, war aufgefallen, dass exakt um die fragliche Zeit ein solcher Wagen mit hochgedrehtem Motor und stark überhöhter Geschwindigkeit an ihrem Fenster vorbeifuhr, weg vom Winterâschen Haus. Wenn die Angaben der Zeugin stimmen, und die persönliche Befragung lieà daran keinen Zweifel, dann müsste der Audi ⦠warten Sie â¦Â«, er machte eine überschlägige Berechnung im Kopf, »â¦Â ja, der Audi müsste über einen Formel-1-Motor verfügen und in längstens vier Sekunden von null auf hundert beschleunigen können â bei einer so alten Karre schlicht ein Ding der Unmöglichkeit.«
Er machte eine kurze Pause, ehe er fortfuhr: »Andererseits schwört die gute Frau Stein und Bein, der Wagen habe eine Ãberlinger Nummer gehabt, und die letzten drei Ziffern waren mit der von Grasmück genannten Zahlenfolge identisch â¦Â«
»Eins verstehe ich nicht: Wieso rief die Frau überhaupt an?«, wurde er von Wolf unterbrochen.
Vögelein reagierte, als wäre ihm Wolf auf die Zehen getreten: »Sie müssen mir schon Zeit lassen, Chef, ich bin ja noch nicht fertig. Also, die Frau war ziemlich sicher, in dem verhinderten Rennfahrer einen der Männer wiedererkannt zu haben, die in der Zeitung abgebildet waren.«
»Wie â sie hat den Mann und die Autonummer erkannt? Stark. Und das bei dieser Geschwindigkeit?«
»Kam mir zunächst auch unglaubwürdig vor. Aber die Frau war nicht zu erschüttern, die geborene Zeugin. Ich glaube ihr.«
»Ihr habt den Halter selbstverständlich überprüft?«
»Ja, gestern Abend noch. Der Mann scheint sauber. Es handelt sich um einen gewissen Hartmut Neidling,
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