Segel aus Stein
Fischerei, damals nicht und jetzt nicht.«
»Warum nicht?«
»Heute ist zu viel Geld nötig, um überhaupt einen Anfang zu machen. Du hast ja mein Schiff gesehen. Tja ... das ist nicht billig, 320 Bruttoregistertonnen, 1300 PS.« Er drehte sich um, als würde sein Schiff am Kai liegen und er könnte darauf zeigen. »Wenn wir jetzt aufhören würden, das brächte Kohle.«
»Möchtest du das denn?«, fragte Winter.
»Aufhören? Nie! Das möchte vielleicht die EU, aber ich nicht.«
Erik Osvald wohnte in einem der älteren Häuser. Die beiden Männer mussten sich bücken, als sie es betraten, aber drinnen war die Decke hoch, ein Gewölbe aus Holz über dem großen Zimmer. Es gab ein breites, hohes Fenster, das Licht hereinließ und den Blick freigab auf Klippen und Meer und den Horizont. Es war ein perfektes Zimmer.
Winter hörte von irgendwoher im Haus ein Geräusch und drehte den Kopf.
»Die Katze«, sagte Osvald. »Du bist hoffentlich nicht allergisch?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Winter. »Ich hab noch nie eine Katze gehabt.«
»Aber du hast doch schon mal eine gestreichelt?«
»Nein.«
»Nein?!«
»Wirklich nicht«, sagte Winter. Das fiel ihm zum ersten Mal auf, und es war ja tatsächlich etwas verrückt. Ein Mann von über vierzig, der in seinem ganzen Leben noch keine Katze gestreichelt hatte. Er musste unbedingt in ein Dorf ziehen.
»Jetzt hast du Gelegenheit«, sagte Osvald, bückte sich und nahm eine kleine, magere kohlrabenschwarze Bauernkatze unter dem Bauch hoch und reichte sie Winter. Er streichelte sie unterm Kinn und strich ihr über den Kopf, so einfach war das also. Osvald ließ die Katze herunter, die mit einem Satz über die Schwelle sprang.
»Wir hatten schon eine Vorfahrin dieser Katze, als . na ja, in dem Sommer, als du etwas mit Johanna hattest«, sagte Osvald.
»Damals bin ich nie hier gewesen«, sagte Winter.
Das stimmte. Er hätte vor mehr als zwanzig Jahren in diesem Zimmer stehen können und damals dasselbe Meer wie jetzt sehen können, dieselben kantigen Steinblöcke. Dieses Haus war das Elternhaus der Geschwister Osvald. Erik hatte es übernommen, und der Vater war in den Anbau gezogen. Johanna hatte ein eigenes kleines Haus, näher bei der Schule.
»Hast du mit Johanna gesprochen?«, fragte Osvald.
»Ja, und du?«
»Wir haben heute Morgen telefoniert«, sagte Osvald.
»Der Arzt da . der Pathologe . soll irgendwas analysieren. Weißt du, worum es geht?«
»Heute Morgen hab ich noch nichts gehört.«
»Das hab ich nicht gemeint.« Osvald sah ihn mit diesen blassen Augen an, die an einen blauen Himmel im Januar erinnerten, mit einem schwachen Licht um die Pupillen. Sie waren wie die Augen aller hier draußen. Sie waren dem offenen Licht ausgesetzt, kein Fischer, der auf sich hielt, trug eine schwarze Sonnenbrille. »Ich meine . woran er gestorben ist.«
Zum ersten Mal erwähnten sie Axel Osvald.
»Ich weiß nur, was sie anfangs sagten, dass es ein Herzanfall war.«
»Glaubst du daran?«
»Zunächst hab ich daran geglaubt.«
»Danach hab ich nicht gefragt«, sagte Osvald.
»Was gibt es denn für Alternativen?«, fragte Winter.
»Die Frage musst du wohl beantworten«, sagte Osvald. »Du bist doch von der Kripo.«
»Aber wenn ich dich darum bitte, darüber nachzudenken?«
»So weit bin ich noch nicht«, sagte Osvald. »Ich bin auch nicht sicher, ob ich überhaupt so weit komme.« Er ging auf die Tür zu, blieb aber wieder stehen. »Wozu soll das überhaupt gut sein?«
»Ich weiß es tatsächlich nicht«, sagte Winter.
»Aber du scheinst diese Erklärung ja nicht ganz zu glauben«, sagte Osvald.
»Ist auf den anderen Reisen, die dein Vater nach Schottland unternommen hat, einmal irgendwas passiert? Als er nach . Spuren suchte, nach Informationen, was mit John passiert ist?«
»Er hat nicht nach Spuren gesucht«, sagte Osvald.
»Ach nein?«
»Nicht solche Spuren. Wir hatten alle akzeptiert, dass . Großvater mit diesem Schiff untergegangen ist. Mit der >Marino<. Es ging um Informationen, wie es passiert ist. Verstehst du? Er suchte nicht nach . dem leibhaftigen Großvater.«
»Hat er dir das so erzählt?«
»Ist das denn von Bedeutung?«
»Hat er dir das kürzlich gesagt?«, wiederholte Winter.
»Ungefähr«, sagte Osvald. »So hat er jedenfalls gedacht.«
»Dann muss der Schock enorm gewesen sein, als dieser Brief kam.«
»Ich weiß es nicht«, sagte Osvald.
»Warst du zu dem Zeitpunkt nicht zu Hause?«
»Ja und nein. Aber ich glaube, er . Vater .
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