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Segel aus Stein

Segel aus Stein

Titel: Segel aus Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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einem Corolla.
    »Manchmal parkt hier jemand, der zur Werft will«, sagte eine der Frauen, älter, in einem geblümten Kleid, das zwei Weltkriege überlebt hatte.
    »Was wollen die denn auf der Werft?«, fragte Macdonald.
    In dem Augenblick hörten sie schwere Hammerschläge von jenseits der Werftmauer. Es war ein merkwürdiges Geräusch. Plötzlich war es überall, wie eine Erinnerung. Doonk - doonk - doonk.
    Sie verabschiedeten sich von der Frau und gingen über die Kreuzung zur Werft. Das große Tor war geschlossen. Daneben klaffte ein sechs Meter breites Loch in dem drei Meter hohen Zaun. Sie stiegen hindurch.
    Die Hammerschläge hatten aufgehört, jedoch wieder angefangen, doonk . doonk . mit einem hohlen Echo, das dort drinnen anders klang, wo alles an einen Friedhof erinnerte. Die Schläge kamen aus einem Gebäude, das aussah wie eine in weiten Teilen zerbombte Kathedrale. Eine Wand fehlte. Drinnen herrschte Dunkelheit. Sie gingen näher und hinein. Die Schläge verstummten, jemand hatte sie zuerst gesehen.
    »You're trespassing«, ertönte eine unfreundliche Stimme.
    »Police«, sagte Macdonald in die Dunkelheit hinein. Es roch nach Rost und schmutzigem Wasser, Eisen, verbranntem Stahl, Schwefel, Feuer, Erde, Teer, Meer. Das ist ein Geruch von früher, dachte Winter. Ich erinnere mich daran aus meiner Kindheit.
    »What tha fockin' is a'matter?«, sagte die Stimme, und ein Mann trat vor. Er hielt immer noch den Hammer in der Hand, der ein Vorschlaghammer war. Hinter ihm stand etwas, das an ein Bugvisier erinnerte. An der einen Seite hatte er den Dreck abgeklopft. Winter verspürte plötzlich einen starken Wunsch, den Vorschlaghammer zu nehmen und mit aller Kraft auf die Eisenmassen loszugehen, zuzuschlagen, bis er umfiel, total entkräftet. Das musste gesund sein.
    Der Mann mit dem Vorschlaghammer sah nicht aus, als wäre er aus therapeutischen Gründen hier. Er trug einen Overall, der schon so lange in Gebrauch war, dass er alle Farbe verloren hatte und ungefähr aussah wie die Gesichtsfarbe des Mannes, die grau war. In seinem Mundwinkel hing eine Kippe. Der Arbeiter war um die sechzig, vielleicht jünger, vielleicht älter. Im Auto hatte Steve gesagt, hier oben sei es nicht ganz leicht, das Alter der Männer zu schätzen. Fünfunddreißigjährige konnten wie fünfundsechzig aussehen. Selten war es umgekehrt.
    »We just want to ask a couple o'questions«, sagte Macdonald.
    »Ay«, sagte der Mann, spuckte die Kippe aus und kam auf sie zugehinkt. Er nahm den Vorschlaghammer von der rechten in die linke Hand, als wollte er damit die fehlende Balance seines Körpers ausgleichen. Er war überraschend groß, fast genauso groß wie Macdonald, der der größte Schotte war, den Winter bis jetzt gesehen hatte. Er hatte schon einmal eine Bemerkung darüber gemacht, und Macdonald hatte geantwortet, ich hab mich bei dem Haggis zurückgehalten, der drückt dich zur Erde runter. Das ist wie mit dem Reis bei den Japanern.
    Bullshit, hatte Winter gesagt.
    Jetzt entwickelte sich ein Gespräch, das Winter kaum verstand beziehungsweise eigentlich gar nicht. Der Mann sprach ein entsetzliches Kauderwelsch, und Winter hatte Macdonald im Verdacht, dass er selbst die Hälfte riet. Und plötzlich war das Gespräch vorbei, einfach so. Es war, wie bei einer Sportart zuzusehen, die man nicht verstand.
    Sie gingen zurück zum Auto auf der Richmond Street. Ein doppeltes Zeitungsblatt wurde durch die Abzweigung nach Portessie geweht. Winter konnte eine halbe Überschrift lesen, wie eine halbe Mitteilung.
    »Er ist arbeitslos, aber er geht wegen der alten Zeiten hin«, sagte Macdonald. »Damit ist er nicht allein.«
    »Aber er hat keinen Johnson oder Osvald getroffen, soweit ich verstanden habe.«
    »Nein.«
    »Unserer könnte ja trotzdem hier gewesen sein«, sagte Winter.
    »Welcher von ihnen?«
    »Ja ... das ist eine der Fragen«, sagte Winter.
    Langsam fuhren sie durch den Hafen zurück: Harbour Office, Marine Accident Inv. Branch, Carlton House, Fishermen's Fishselling Co. Ltd, JSB Supplies Ltd, Buckie Fishmarket. Winter sah Trawler in dem kleinen Hafenbecken, er las die Namen der Schiffe: »Three Sisters«, »Priestman«, »Avoca«, »Jolair Buckie«, »Monadhliath«.
    »Wir können ja mal drinnen im »Marine« fragen«, sagte Macdonald.
    Das Marine Hotel sah wie einem Film noir entnommen aus. Wenn die Wände sprechen könnten, dachte Winter, als sie in der Lobby standen. Die Frau hinter dem Tresen war blondiert und vielleicht fünfzig

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