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Segel der Zeit

Segel der Zeit

Titel: Segel der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Schroeder
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»Zu welcher Stadt?«
    Â»Ich verteidige Stonecloud«, rief sie laut und sehr langsam und hielt ihre Hände so, dass sie deutlich zu sehen waren.
    Â»Sie sind nicht von den Falken«, erklärte die Stimme. »Sie sind ein Wintergespenst.«
    Antaeas natürlicher Humor gewann die Oberhand. »Sehr scharf beobachtet«, lobte sie. »Das heißt, ich bin für die Gretel ebenso ein Fremder wie Sie. Und ich versuche, Ihnen zu helfen.«
    Â»Warum?«
    Darauf wusste sie nichts zu erwidern. Sie lachte und wollte schon sagen: »Ich habe nicht die leiseste Ahnung«, doch dann besann sie sich. Sie schwebte nach oben, um den Mann hinter dem Fenster besser sehen zu können: er schien etwa Mitte vierzig zu sein. Das
Schlafzimmer, in dem er stand, hatte eine Tapete mit Blumenmuster.
    Â»Mein Mann ist von hier«, behauptete sie endlich. Das stimmte zwar nicht, kam aber der Wahrheit so nahe wie ein aufrichtiges Geständnis. Sie fühlte sich nicht wohl dabei.
    Â»Er wollte unbedingt bleiben und kämpfen«, fügte sie hinzu. »Was blieb mir anderes übrig? Sollte ich ihn verlassen.«
    Der Gewehrlauf bewegte sich. »Wo ist er denn?«
    Sie deutete über die Schulter nach hinten. »Hören Sie die Explosionen?«
    Wieder wurde es still. Der Mann überlegte. Endlich: »Dann gehen Sie wohl am besten zu ihm.«
    Â»Ja. Danke. Hm …« Sie schwebte nun auf der Höhe des Dachfirsts, und unter ihr verwandelten sich die Straßen in ein bizarres Labyrinth. »Wo nehme ich ein Bike her?«
    Der Verteidiger des Hauses deutete mit seinem Gewehr nach rechts. »Vor nicht allzu langer Zeit sind ein paar von unseren Jungs in diese Richtung gegangen. Jemand sagte, dort hätte sich ein reicher Mann in seinem Haus verschanzt!«
    Â»Aha. Vielen Dank.« Sie suchte nach einer schlagfertigen oder zumindest beruhigenden Antwort. »Viel Glück!«
    Er schnaubte nur und schlug das Fenster zu.
    Antaea flog vorsichtig, um ihren schmerzenden Arm zu schonen, in die angegebene Richtung und überlegte dabei, wann sie sich eigentlich entschieden hätte, nach Chaison, jawohl, nach Chaison zu suchen, anstatt nach einer Möglichkeit, dieser Stadt zu entkommen.

    Chaison erwachte, weil er eine kleine Hand auf seinem Arm spürte. Er blinzelte und starrte in einen Abgrund aus Feuer und wirbelndem Schutt, umrahmt von bewaldeten Parkkugeln, die dazu ganz und gar nicht passten. Die Hand packte kräftiger zu und zog ihn in die andere Richtung; er blickte auf und begegnete dem Blick eines weiblichen Pagen, nicht älter als zwölf Jahre. Das Mädchen hatte eine Hand um seinen Arm gelegt, mit der anderen hielt sie ein Seil umfasst.
    Er lächelte ihr zu, aber sie war ganz darauf konzentriert, sich selbst und ihn an dem Seil durch Rauch und schwebenden Kies zu einer halb offenen Tür an der schon zur Hälfte demontierten Zirkuskugel zu ziehen. Chaison schaffte es aus eigener Kraft durch die Tür, ließ aber aus Respekt und Dankbarkeit ihre Hand auf seinem Arm, bis sie im Innern waren. Dann machte er sich vorsichtig los.
    Â»Danke«, sagte er und klopfte ihr auf die Schulter. Nachdem sie ihren Auftrag erfüllt hatte, gestattete sie sich ein verschmitztes Lächeln, dann hüpfte sie davon. Chaison hätte noch mehr gesagt, aber die Kugel verlor gerade durch neues Raketenfeuer eine weitere Plankenschicht. Ein Splitterregen prasselte durch das Innere, alle duckten sich und hielten sich die Ohren zu.
    Chaison kämpfte sich zu dem eisenbeschlagenen Bunker im Zentrum vor. Das mit so viel Mühe aufgebaute Modell der Stadt hatte sich in eine Wolke ziellos umherschwebender Holzklötze aufgelöst. Viele Männer und Frauen hatten sich hier versammelt. Vor wenigen Minuten waren sie noch eine schlagkräftige militärische Organisation gewesen, nun waren sie wieder das, was sie bis vor zwei Tagen gewesen waren – Bürger,
Mütter, Arbeiter. In stummer Angst richteten sich ihre Blicke auf den Admiral.
    Â»Sie sind hier drin nicht sicher!«, rief Chaison. »Sie müssen fliehen, solange es noch geht.« Ihnen blieben nur wenige Minuten, um alle wohlbehalten aus dem Gebäude zu schaffen; danach könnten die anrückenden Kreuzer die Kugel umkreisen und jeden abschießen, der sich an der Rückseite hinauswagte.
    Â»Nein!«
    Corbus war im Eingang erschienen. Der ehemalige Atlas, und Kraftmensch, den Stonecloud spontan zu seinem

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