Segeln im Sonnenwind
dann die Trennung einleitet, kann man ganz tapfer tun. Eine »wirklich gute Freundin« sein.
Ich will damit nicht andeuten, daß dynamische Hüften und angespannte Muskeln »Sex-Appeal« ausmachen. Obwohl derartige Eigenschaften nützlich sind, muß man sie doch eher mit den scharfen Werkzeugen eines Zimmermanns vergleichen. Meine Mitehefrau Tamara, Mutter unserer gemeinsamen Mitehefrau Ishtar und einst die gefeiertste Hure von ganz Secundus, ist der Inbegriff dessen, was man Sex-Appeal nennt, und doch ist sie nicht besonders hübsch. Niemand, der mit ihr geschlafen hat, spricht über ihre Technik. Die Gesichter dieser Leute hellen sich allerdings auf, wenn sie sie sehen, und ihre Stimmen beben, wenn sie von ihr sprechen.
Ich habe mal Jubal Harshaw über Tammy befragt, denn er ist der analytischste unter meinen Ehemännern. Er sagte: »Mama Maureen, hör auf, mir zuzusetzen. Wenn jemand die Antwort kennt, bist du es.«
Ich leugnete das.
»Okay«, sagte er, »aber ich denke doch, daß du einfach nur nach Komplimenten angelst. Sex-Appeal ist der äußere Beleg für tiefes Interesse am Vergnügen deines Partners. Tammy hat das. Du ebenfalls, und zwar nicht weniger als sie. Es liegt nicht an deinem roten Haar, Frauenzimmer, oder an deinem Geruch, der echt lecker ist. Es liegt daran, wie du gibst – wenn du etwas gibst.«
Jubal hatte mich damit so erregt, daß ich ihn gleich an Ort und Stelle flachlegte.
Im Lyle County des Jahres 1897 ist es jedoch nicht möglich, einen begehrten Mann einfach flachzulegen und es mit ihm zu treiben; irgendein Tugendbold hockt dort praktisch auf jedem Baum, ganz erpicht darauf, die Leute zu erwischen und die Sache an die große Glocke zu hängen. Man muß also mit mehr Bedacht zu Werk gehen. Man findet reichlich bereitwillige Männer (etwa zwölf in jedem Dutzend), aber man muß nun mal erst den aussuchen, den man haben möchte – nach Alter, Gesundheit, Sauberkeit, persönlichem Charme, Diskretion (wenn er dir gegenüber klatschhaft ist, klatscht er auch über dich) und anderen Faktoren, die von Kandidat zu Kandidat verschieden sind. Nachdem du ihn für die Opferbank bestimmt hast, mußt du ihm die Überzeugung vermitteln, daß er dich will, und ihn stillschweigend wissen lassen, daß das möglich ist. Das ist leicht gesagt, aber nur schwer zu realisieren. Man entwickelt dabei seine Fertigkeiten für das ganze Leben.
So gelangt man zu einer Übereinkunft, aber noch nicht zu einem Treffpunkt.
Nachdem ich für meine Entjungferung noch selbst eine Opferstätte ausgesucht hatte, kümmerte ich mich später nicht mehr um diesen Aspekt des Problems. Wenn ein Junge/Mann meine unmoralischen Knochen haben wollte, mußte er seine grauen Zellen auf Trab bringen und selbst eine Lösung finden. Oder er konnte Fliegen fangen gehen.
Aber ich riskierte Sandflöhe und (einmal) auch giftigen Efeu. Er bekam die Flöhe; ich scheine immun gegen dergleichen zu sein.
Von Juni bis Januar hatten mich drei Jungs im Alter von sechzehn bis zwanzig sowie ein verheirateter Mann von einunddreißig. Letzteren nahm ich aufgrund der (irrigen) Annahme mit hinzu, daß ein verheirateter Mann auf jeden Fall so geschickt sein müßte, daß er jenes Feuerwerk problemlos zünden könnte.
Summe der Kopulationen: neun. Orgasmen: drei. Einer davon war wundervoll! Reine mit Kopulation verbrachte Zeit: durchschnittlich fünf Minuten pro Durchgang, was nicht annähernd ausreicht. Ich erfuhr, daß das Leben wirklich schön sein kann, daß jedoch die Männer meiner Umgebung von trottelig bis unbeholfen rangierten.
Wie es den Anschein hatte, fiel ich gesellschaftlich nicht auf.
Bis Silvester hatte ich den Entschluß gefaßt, Vater zu bitten, daß er meinen Namen bei der Howard-Stiftung einsandte. Nicht des Geldes wegen (bis dahin wußte ich noch nicht, daß die Zahlungen überhaupt nennenswert waren), sondern weil ich darauf aus war, interessantere Männer kennenzulernen. Lyle County war ein zu armseliger Jagdgrund für Maureen. Ich hatte mich, auch wenn Sex vielleicht nicht das einzig Bedeutsame im Leben ist, fest entschlossen zu heiraten, und es sollte ein Mann sein, der mir den Wunsch vermittelte, früh zu Bett zu gehen.
Inzwischen blieb ich bestrebt, so begehrenswert wie nur möglich zu werden, und lauschte dabei mit größter Sorgfalt dem Rat meines Vaters. (Ich wußte, daß ich im Grunde jemanden wie Vater finden wollte, wenn auch fünfundzwanzig Jahre jünger. Oder zwanzig. Machen wir doch lieber fünfzehn daraus.
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