Segeln im Sonnenwind
nicht um politische Überläufer, die auf Ämterjagd waren, denn Missouri hatte sich der Sezession nie angeschlossen, und die Wiedervereinigung ging ganz an ihm vorüber. Onkel Jules, Vaters Cousin in Kansas City, erklärte unsere Wanderschaft wie folgt:
»Nachdem wa vier Jahre lang in Dixie gekämpft hatten, kehrten wa nach Minnesota zurück… und blieben dort grade lang genug, um wieda zu packen und umzuziehen. Missourah iss gar nich' so heiß wie Dixie, iss aber auch nich' so kalt, daß die Schatten aufm Bürgersteig festfriern und die Kühe Eiscreme geben.«
Tante Carole gab meiner Kochkunst den letzten Schliff, und ich steckte ziemlich häufig in ihrer Küche, bis ich endlich heiratete. Während dieser drei Wochen ereignete sich die Geschichte mit dem Zitronenkuchen – ich glaube, ich sprach bereits davon.
Ich hatte diesen Kuchen gebacken. Er war nicht meine beste Arbeit, denn die Kruste war verbrannt. Es war jedoch nur einer von vieren, und die übrigen drei fielen ganz ordentlich aus. Die Temperatur auf einem Holzherd richtig hinzukriegen, ist eine ganz schön heikle Sache.
Wie hatte es jedoch mein Cousin Nelson geschafft, den Kuchen in die Kirche zu bringen, ohne daß es jemand bemerkte, und wie hatte er ihn mir unterschieben können, ohne daß ich es bemerkte?
Er hatte mich damit so wütend gemacht, daß ich schnurstracks nach Hause ging (Tante Caroles Haus) und daß ich, sobald Nelson auftauchte, um sich zu entschuldigen, in Tränen ausbrach und ihn sofort mit ins Bett nahm… Das war eine der drei Gelegenheiten, bei denen es zum Feuerwerk kam.
Wir taten es spontan und ganz unbekümmert und wurden nicht erwischt.
Danach gab ich mich Nelson von Zeit zu Zeit hin, wenn wir es für sicher hielten, und das setzte sich bis zu meiner Hochzeit fort. Auch danach hörte es nicht ganz auf, da er Jahre später nach Kansas City umzog.
Ich hätte mich zusammenreißen sollen, was Nelson anging; er war damals erst vierzehn.
Allerdings ein gescheiter Vierzehnjähriger! Er wußte genau, daß wir es nicht riskieren durften, erwischt zu werden; er wußte, daß ich ihn keinesfalls heiraten konnte und er Gefahr lief, mich zu schwängern und daß ein Baby eine Katastrophe für uns beide sein würde.
An jenem Sonntag morgen hielt er still, während ich ihm einen Präser überstülpte, grinste dabei und sagte: »Maureen, du bist aber clever!« Dann fiel er mit unbekümmerter Begeisterung über mich her und brachte mich in Rekordzeit zum Orgasmus.
Während der folgenden zwei Jahre versorgte ich Nelson mit Glücklichen Witwen. Nicht wegen mir; ich hatte selbst immer einen Präser dabei; nein, es war wegen seines Harems. Ich war der Anfang, aber er stürzte sich mit Eifer und natürlicher Begabung in diesen Sport, ohne je in Schwierigkeiten zu geraten. Echt clever!
Neben dem Kochen versuchte ich mit wenig Erfolg, Vaters Außenstände reinzuholen. Nachdem ich mich mit ihm besprochen hatte, verschickte ich ein paar höfliche und freundliche Mahnschreiben. Hat der geneigte Leser jemals mehr als einhundert Briefe mit der Hand geschrieben? Ich fand schnell heraus, warum Mr. Clemens die erstbeste Gelegenheit ergriffen hatte, vom Federhalter zur Schreibmaschine zu wechseln – als erster Schriftsteller überhaupt.
Lieber Herr Versager,
bei der Durchsicht der Bücher Dr. Johnsons fiel mir auf, daß Sie ihm inzwischen x Dollar schulden und Sie seit März 1896 keine Zahlung mehr geleistet haben. Vielleicht liegt hier ein Versehen vor. Dürfen wir Ihre Zahlung bis zum Monatsersten erwarten?
Falls es Ihnen nicht möglich sein sollte, den vollen Betrag auf einmal zu erstatten, würden Sie dann bitte am Freitag, dem zehnten, in die Praxis kommen, damit wir eine Vereinbarung zu beiderseitiger Zufriedenheit treffen können?
Der Doktor entbietet Ihnen und Frau Versager seine besten Wünsche, ebenso Junior und den Zwillingen und dem kleinen Dummerchen.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Maureen Johnson
i. A. Dr. med. Ira Johnson
Ich zeigte Vater Beispielbriefe, die im Tonfall von bestimmt bis hart reichten; das oben zitierte Muster steht für den Ton der meisten unserer Schreiben. In manchen Fällen sagte Vater: »Dränge sie nicht. Sie würden zahlen, wenn sie könnten, aber sie haben das Geld einfach nicht.« Trotzdem verschickte ich über einhundert Mahnungen.
Das Porto für jeden Brief betrug zwei Cent, und das Briefpapier belief sich auf drei. Könnte man meine Arbeitszeit mit ebenfalls fünf Cent pro Brief veranschlagen? Falls
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