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Segeln im Sonnenwind

Segeln im Sonnenwind

Titel: Segeln im Sonnenwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert A. Heinlein
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würden sich die Junggesellen bald weigern, an ihrer Stelle in die Schlacht zu ziehen. Das wäre das Ende der Zivilisation. Der Barbar könnte ohne Gegenwehr einmarschieren.«
    Vater sah mich mit besorgter Miene an. »Verstehst du das?« Ich denke, er wollte wirklich meine Meinung hören und wünschte sich meine Zustimmung.
    »Vater…« Ich brach ab und seufzte. »Ich glaube schon. Aber es gibt Gelegenheiten, wie eben jetzt, wo mir klar wird, daß mir Erfahrung fehlt. Ich wünsche mir nur, daß dieser Krieg schnell vorbei ist und du und Tom wieder nach Hause kommen, und…«
    »Und Brian Smith? Da bin ich ganz deiner Meinung.«
    »Ja, sicher, aber ich dachte jetzt an Chuck. Chuck Per-kins.«
    »Chuck hat sich auch gemeldet? Guter Junge!«
    »Ja, er hat es mir heute gesagt. Sein Vater war einverstanden und begleitet ihn morgen nach Joplin.« Ich zog schniefend eine Träne zurück. »Ich liebe Chuck nicht, aber ich bin ein wenig sentimental, was ihn betrifft.«
    »Das ist begreiflich.«
    Später am Tag gab ich mich Chuck auf dem Marston Hill hin, und die Sandflöhe und die Leute waren mir egal. Ich sagte Chuck, ich wäre stolz auf ihn, und bewies ihm das nach besten Kräften. (Ich benutzte allerdings einen Präser, wie ich es Vater versprochen hatte.) Und etwas Erstaunliches passierte. Ich war einfach in der Absicht mitgekommen, ein paar weibliche Freiübungen durchzuführen, die Chuck zeigen sollten, wie stolz ich auf ihn war und wie sehr ich seine Bereitschaft schätzte, für uns zu kämpfen. Und das Wunder geschah! Ein Feuerwerk, und was für eins! Mir vergingen Hören und Sehen, und ich drückte die Augen zu und ertappte mich dabei, wie ich laute Geräusche von mir gab.
    Und etwa eine halbe Stunde später wiederholte sich das Wunder. Erstaunlich!
    Chuck und sein Vater nahmen am nächsten Morgen den Acht-Uhr-sechs-Zug von Butler aus und waren noch am gleichen Nachmittag zurück – Chuck vereidigt und derselben Kompanie zugeteilt wie Tom (der C-Kompanie des Zweiten Regiments), auch mit einer ähnlichen Wartezeit. Und so suchten er und ich erneut eine (ziemlich) sichere Stelle auf, wo ich ihm noch einmal Lebewohl sagte und noch einmal das Wunder erlebte.
    Nein, ich verliebte mich keinesfalls doch noch in ihn. Bis dahin hatten mich schon genug Männer gehabt, als daß ich einen kräftigen Orgasmus mit ewiger Liebe verwechselte. Aber ich fand es nett, so wie es war, und ich plante, Chuck so oft und so nachdrücklich Lebewohl zu sagen, wie es eben nur ginge, komme, was da wolle. Und das tat ich auch, bis zu dem Tag eine Woche später, als es wirklich hieß, sich von ihm zu verabschieden.
    Chuck kehrte nie zurück. Nein, er fiel nicht in der Schlacht; er kam niemals über Chickamauga Park, Georgia, hinaus. Es war das Fieber, ob Malaria oder Gelbfieber, weiß ich nicht. Es kann auch Typhus gewesen sein. Es starben fünfmal so viele Leute am Fieber, wie im Kampf fielen. Auch sie sind Helden. Oder vielleicht nicht? Sie hatten sich freiwillig gemeldet, sie waren bereit zu kämpfen… und hätten das Fieber nicht bekommen, wären sie zu Hause geblieben und dem Ruf zu den Waffen erst gar nicht gefolgt.
    Hier muß ich wieder mal aufs Podium steigen. Während des ganzen zwanzigsten Jahrhunderts sind mir immer wieder Leute begegnet, die vom Krieg von 1898 entweder gar nichts wußten oder ihn herunterspielten. »Ach, den meinst du! Das war doch gar kein richtiger Krieg, nur ein Scharmützel. Was ist denn passiert? Hat er sich an der Zehe gestoßen, oder ist er vom San Juan Hill geflüchtet?«
    (Ich hätte die Typen umbringen sollen! Ich habe jedoch wenigstens einem, der solche Reden schwang, einen Martini Extra Dry ins Gesicht geschüttet…)
    Verluste sind in jedem Krieg gleich schwer, denn der Tod ist immer derselbe.
    Und obendrein wußten wir im Sommer 1898 gar nicht, daß der Krieg schnell vorbei sein würde. Die Vereinigten Staaten waren damals keine Supermacht, ja, sie waren überhaupt noch keine irgendwie geartete Weltmacht, während Spanien nach wie vor ein großes Imperium bildete. Soweit wir wußten, blieben unsere Männer vielleicht jahrelang im Feld – wenn sie überhaupt zurückkehrten. Die blutige Tragödie von 1861–1865 war alles, was wir an Maßstab in dieser Beziehung hatten, und sie hatte genauso begonnen… indem der Präsident um ein paar zusätzliche Milizionäre bat. Meinen Eltern und Großeltern zufolge hätte sich damals niemand träumen lassen, daß die Rebellenstaaten – nur halb so groß und weniger

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