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Segeln im Sonnenwind

Segeln im Sonnenwind

Titel: Segeln im Sonnenwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert A. Heinlein
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als halb so stark bevölkert wie die Union und ganz ohne die Schwerindustrie, von der die moderne Kriegsführung abhängt – kein vernünftiger Mensch hätte sich damals träumen lassen, daß sie vier lange, freudlose, mörderische Jahre durchhalten würden.
    Angesichts dieser Erfahrung gingen wir nicht davon aus, daß es leicht sein würde, Spanien zu schlagen; wir beteten einfach darum, daß unsere Männer eines Tages zurückkehrten.
    Schließlich kam der Tag, an dem unsere Männer aufbrachen. Es war der 5. Mai. Ein Sonderzug für Soldaten kam aus Kansas City, fuhr den Bogen über Springfield und dann hinauf nach St. Louis und nach Osten. Ziel: Georgia. Wir alle kamen mit nach Butler, Mutter und Vater im Einspänner mit Loafer voraus, der Rest von uns in der Kutsche hinterher, die sonst nur sonntags benutzt wurde, mit Tom auf dem Kutschbock, von dem aus er Daisy und Beau steuerte. Der Zug fuhr ein, und wir verabschiedeten uns in aller Eile, während schon »Alles einsteigen!« gebrüllt wurde. Vater übergab Loafer an Frank, und ich übernahm die Kutsche mit dem sanften Gespann.
    Tatsächlich fuhr der Zug dann gar nicht so schnell los, denn außer Soldaten mußte auch Gepäck und Fracht eingeladen werden. In der Mitte des Zuges befand sich ein Plattformwagen mit einer Blaskapelle darauf, die vom Dritten Regiment (Kansas City) gestellt wurde, und sie spielte während der gesamten Aufenthaltszeit ein Militärmusik-Medley.
    Die Kapelle blies Mine eyes have seen the glory und machte nacheinander übergangslos mit I wish I was in de land ob cot-ton, Tenting tonight, tenting tonight und … stuck a feather in his cap and called it macaroni! weiter. Als sie gerade In my prison cell I sit… spielten, tutete die Lokomotive, und der Zug setzte sich in Bewegung. Die Musiker sprangen vom Plattformwagen und stiegen in den nächsten Waggon, wobei der Mann mit der Tuba Hilfe benötigte.
    Wir machten uns auf die Heimfahrt, und in Gedanken hörte ich immer noch Tramp, tramp, tramp, the boys are marching und diese tragische erste Zeile In my prison cell I sit… Später erzählte mir jemand, der Mann, der das geschrieben hätte, hätte wohl nichts davon verstanden, denn in Kriegsgefangenenlagern gäbe es nichts so Luxuriöses wie Zellen. Er zitierte Andersonville.
    So, wie mir damals zumute war, reichte das Lied, um mir die Tränen in die Augen zu treiben, so daß ich nichts mehr sehen konnte. Das spielte jedoch keine Rolle; Beau Brummel und Daisy waren nicht auf meine Hilfe angewiesen. Man brauchte für gewöhnlich nur die Zügel hängen zu lassen, und sie zogen uns von allein nach Hause. Und das taten sie auch diesmal.
    Ich half Frank beim Ausschirren beider Gespanne und ging dann ins Haus und nach oben. Als ich gerade die Tür hinter mir geschlossen hatte, kam Mutter und klopfte an. Ich machte ihr auf. »Ja, Mutter?«
    »Maureen, dein Golden Treasury… Dürfte ich es mir ausleihen?«
    »Sicher.« Ich holte das Buch unter meinem Kopfkissen hervor und reichte es ihr. »Es ist Nummer dreiundachtzig, Mutter, auf Seite sechzig.«
    Sie blickte überrascht auf und blätterte dann durch die Seiten. »Stimmt«, sagte sie und schaute mich an. »Wir müssen jetzt tapfer sein, Liebes.«
    »Ja, Mutter, das müssen wir.«
    Wo wir gerade von Gefängniszellen sprechen – Pixel ist wieder in meiner aufgetaucht und hat ein Geschenk mitgebracht. Eine tote Maus, noch warm. Er ist ungeheuer zufrieden mit sich und wartet eindeutig darauf, daß ich sie esse. Wie komme ich aus dieser Sache bloß wieder heraus?

KAPITEL SECHS
    WHEN JOHNNY COMES MARCHING HOME…
    Der Rest des Jahres 1898 war ein langer böser Traum. Unsere Männer waren in den Krieg gezogen, und es war schwierig herauszufinden, wie die Sache für uns stand. Ich erinnere mich an die Zeit sechzig Jahre danach, als der böse Blick des Fernsehens aus dem Krieg einen Zuschauersport machte und man auch nicht davor zurückschreckte, Angriffe zeitlich so zu legen, daß sie live in den Abendnachrichten gesendet werden konnten. Kann man sich überhaupt eine scheußlichere und ironischere Möglichkeit zu sterben vorstellen als für einen Fernsehmoderator, nur damit dieser noch schnell einen Kommentar loswird, ehe er den Bildschirm für die Bierwerbung freigibt?
    Im Jahr 1898 wurden die Schlachten nicht live ins Wohnzimmer übertragen; wir hatten selbst lange nach den tatsächlichen Ereignissen noch Schwierigkeiten, herauszufinden, was eigentlich passiert war. Schützte unsere Marine die

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