Segeln im Sonnenwind
mit Mr. Smith zu sprechen?«
»Maureen!« unterbrach mich Mutter.
Ich drehte mich zu ihr um. »Mutter, ich möchte gar nicht voreilig oder undamenhaft sein. Es liegen besondere Umstände vor. Mr. Smith zieht für uns in den Krieg, und ich möchte ihm nur sagen, daß ich jeden Abend für ihn beten werde, solange er im Feld ist.«
Mutter musterte mich und sagte dann sanft: »Ja, Maureen. Falls du ihn erreichst, sage ihm bitte, daß ich ebenfalls für ihn beten werde. Jeden Abend!«
Vater räusperte sich vernehmlich. »Ladies…«
»Ja, Doktor?« kam es von Mutter.
»Die Frage ist akademisch. Mr. Smith teilte mir mit, daß er nur kurz sprechen kann, weil eine lange Reihe von Studenten darauf wartet, ebenfalls das Telefon zu benutzen. Für ähnliche Botschaften, vermute ich. Es hätte also keinen Sinn, wenn man jetzt versuchte, ihn zu erreichen. Die Leitung ist besetzt, und anschließend dürfte er bereits unterwegs sein. Was euch zwei in keiner Weise daran hindern soll, für ihn zu beten. Maureen, du kannst es ihm in einem Brief mitteilen.«
»Aber ich weiß doch nicht, wie ich ihm schreiben soll!«
»Streng deinen Kopf an, Kind. Du kennst mindestens drei Möglichkeiten.«
»Doktor Johnson, bitte!« Mutter wandte sich mit sanfter Stimme an mich. »Judge Sperling wird Bescheid wissen.«
»Aber ja, natürlich!«
»Ja, Liebes. Judge Sperling weiß immer, wo jeder von uns steckt.«
Ein paar Minuten später gaben wir alle Tom einen Abschiedskuß, und wo wir schon dabei waren, auch Vater, obwohl dieser zurückkehren würde. Er versicherte uns, daß dasselbe aller Wahrscheinlichkeit nach auch für Tom gelten würde. Man würde ihn vereidigen und ihm dann mitteilen, zu welchem Termin er sich zum Dienstantritt einfinden mußte, da höchst unwahrscheinlich war, daß die Staatsmiliz tausend oder mehr Neulinge alle an einem Tag aufnehmen konnte.
Sie fuhren davon. Beth weinte leise. Lucille tat es nicht. Ich glaube, sie kapierte gar nicht, was geschah; sie stand ganz ernst da und machte runde Augen. Mutter und ich weinten ebenfalls nicht – jedenfalls noch nicht. Als Mutter jedoch nach oben ging und ihre Tür hinter sich schloß, folgte ich ihrem Beispiel. Seit Agnes' Heirat hatte ich ein eigenes Zimmer; ich verriegelte die Tür, legte mich aufs Bett und überließ mich meinen Tränen.
Ich versuchte mir weiszumachen, daß ich um meinen Bruder Thomas weinte, wußte es aber besser. Es war Mr. Smith, um den ich mir solche Sorgen machte.
Ich wünschte mir aus tiefstem Herzen, ich hätte ihn eine Woche vorher nicht dazu überredet, eine französische Tasche zu benutzen, als wir uns liebten. Ich hatte mich schon versucht gefühlt… Ich war mir sicher, daß es sehr viel netter sein würde, die Gummischeide zu vergessen und ihn ganz nackt in mir zu spüren.
Allerdings hatte ich Vater feierlich versprochen, immer einen Präser zu benutzen, bis zu dem Tag, an dem ich nach einer ernsten Diskussion mit dem fraglichen Mann beschloß, schwanger zu werden – sofern die beiderseitige feste Absicht bestand zu heiraten, falls wir Erfolg hatten.
Und jetzt war er in den Krieg gezogen, und ich sah ihn vielleicht nie wieder!
Ich trocknete mir die Augen, stand auf und las ein wenig Poesie, um genau zu sein, Professor Palgraves Golden Treasury. Mutter hatte mir das Buch zu meinem zwölften Geburtstag geschenkt; sie selbst hatte es 1866 zu ihrem Zwölften bekommen.
Professor Palgrave hatte 288 Gedichte ausfindig gemacht, die, seinem ausgezeichneten Geschmack zufolge, in diese Schatzkiste gehörten. An diesem Tag wollte ich nur eins davon lesen – nämlich Richard Lovelaces »Für Lucasta – beim Aufbruch in den Krieg«:
»Ich könnte dich nicht so sehr lieben,
Liebte ich die Ehre nicht noch mehr.«
Danach weinte ich wieder ein wenig und legte mich schließlich schlafen. Als ich erwachte, stand ich auf und gestattete mir keine weiteren Tränen. Statt dessen schob ich Mutter einen Zettel unter der Tür durch, auf dem ich ihr mitteilte, daß ich das Abendessen für uns alle machen würde und daß sie es im Bett nehmen könne, wenn sie es wolle.
Sie ließ zu, daß ich das Essen machte, kam aber herunter und führte selbst den Vorsitz bei Tisch. Zum erstenmal hielt Frank ihr den Stuhl und setzte sich ihr anschließend gegenüber. Sie sah mich an. »Maureen, würde du das Tischgebet sprechen?«
»Ja, Mutter. Lieber Gott, wir danken Dir für Deine Gaben. Segne diese Speise für uns, und segne auch unsere Brüder und Schwestern in Jesus
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