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Segeln im Sonnenwind

Segeln im Sonnenwind

Titel: Segeln im Sonnenwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert A. Heinlein
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Ostküste (wie es die dortigen Politiker forderten), oder trieb sie sich irgendwo in der Karibik herum? Hatte die Oregon Kap Horn umrundet, und würde sie rechtzeitig zur Flotte stoßen? Wieso gab es eine zweite Schlacht von Manila? Hatten wir die Schlacht in der Bucht von Manila nicht schon Wochen vorher gewonnen?
    Im Jahr 1898 verstand ich noch herzlich wenig von militärischen Dingen; ich wußte nicht mal, daß Zivilisten gar nichts von der Position einer Flotte oder den geplanten Bewegungen einer Armee wissen sollten. Ich wußte nicht, daß alles, was einem Außenstehenden bekannt wird, nur Minuten später auch zu feindlichen Agenten vordringt. Ich hatte noch nie etwas vom »Recht der Öffentlichkeit auf Informationen« gehört, einem Recht, das überhaupt nicht in der Verfassung festgehalten ist, in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts aber sakrosankt wurde. Diesem sogenannten ›Recht‹ zufolge war es okay (vielleicht bedauerlich, aber doch nötig), wenn Soldaten oder Seeleute oder Flieger starben, nur damit die ›Öffentlichkeit‹ um Gottes willen ›informiert‹ wurde.
    Damals mußte ich erst noch lernen, daß man das Leben unserer Männer weder dem Kongreß noch den Medien anvertrauen konnte.
    Ich will ja fair bleiben. Gehen wir ruhig davon aus, daß über neunzig Prozent der Kongreßabgeordneten und der Reporter ehrlich und ehrenwert sind. In diesem Fall genügt es, wenn sich weniger als zehn Prozent als mörderische Idioten erweisen, denen das Leben von Helden egal ist, und schon vernichtet diese Minderheit Menschenleben, verliert Schlachten und verändert den Lauf eines Krieges.
    Diese grimmigen Gedanken kamen mir 1898 noch nicht. Es erforderte schon den damaligen Krieg und zwei Weltkriege sowie zwei unerklärte Kriege (›Polizeiaktionen‹, um Himmels willen!), damit ich erkannte, daß man weder unserer Regierung noch der Presse Menschenleben anvertrauen durfte.
    »Eine Demokratie funktioniert nur dann gut, wenn der einfache Mann ein Aristokrat ist. Gott muß den einfachen Mann allerdings hassen; Er hat ihn so verdammt einfach gemacht! Versteht dieser einfache Mann denn etwas von Ritterlichkeit? Davon, daß Adel verpflichtet? Von aristo-kratischen Verhaltensmaßregeln? Persönlicher Verant-wortung für das Wohlergehen des Staates? Da könnte man gleich nach dem Fell eines Frosches suchen.« Hörte ich Vater das sagen? Nein. Nun, nicht ganz jedenfalls. Ich erinnere mich, daß es so um zwei Uhr früh in der Oyster Bar des Benton House in Kansas City gesagt wurde, nachdem Mr. Clemens dort im Januar 1898 einen Vortrag gehalten hatte. Vielleicht sagte Vater einen Teil der oben genannten Worte, vielleicht stammten sie auch ganz von Mr. Clemens, oder vielleicht haben sie sie gemeinsam ausgeheckt. Nach so vielen Jahren kann ich mich nicht mehr genau daran erinnern.
    Mr. Clemens und Vater vertieften sich damals in rohe Austern, Philosophie und Brandy. Ich bekam ein kleines Glas Portwein. Sowohl der Portwein als auch rohe Austern waren neu für mich. Mir schmeckte beides nicht, und der Gestank von Mr. Clemens' Zigarre machte es auch nicht besser.
    (Ich hatte Mr. Clemens versichert, daß ich das Aroma einer guten Zigarre zu schätzen wüßte; er möge ruhig rauchen. Ein Fehler!)
    Ich hätte jedoch mehr als Zigarrenqualm und rohe Austern ertragen, nur um in dieser Nacht dabeizusein. Auf dem Podium hatte Mr. Clemens ganz wie auf den Fotos ausgesehen – ein jovialer Satan mit einem Heiligenschein aus weißem Haar, gekleidet in einen schönen, maßgeschneiderten weißen Anzug. Aus der Nähe wirkte er einen Fuß kleiner, war warmherzig und charmant und machte aus mir eine noch inbrünstigere Bewunderin seiner Person, indem er mich wie eine erwachsene Lady behandelte.
    Ich war Stunden länger auf als sonst und mußte mich fortwährend zwicken, um nicht einzuschlafen. Am besten erinnere ich mich noch an Mr. Clemens' Diskurs über Katzen und Rotschöpfe, der aus dem Stegreif speziell für mich erdacht worden war, glaube ich. Er ist nirgendwo in seinen veröffentlichten Werken zu finden, nicht einmal in denen, die die Universität von Kalifornien fünfzig Jahre nach seinem Tod herausgab.
    Weiß der geneigte Leser schon, daß Mr. Clemens ein Rotschopf war? Aber das Thema muß noch warten.
    Die Nachricht von der Unterzeichnung des Friedensprotokolls erreichte Thebes am Freitag, dem 12. August. Mr. Barnaby, unser Direktor, rief uns alle in den Vorlesungssaal, erzählte uns davon und entließ uns

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