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Sehen Sie, so stirbt man also

Sehen Sie, so stirbt man also

Titel: Sehen Sie, so stirbt man also Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelius Hartz
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meistbeschäftigte Mitglied der Familie: 3165 Menschen tötete Johann Reichhart im Laufe seiner langen Karriere.
    Mit 28 Jahren begann er seine Tätigkeit als Scharfrichter beim Bayerischen Justizministerium in München und war sogleich für alle „im Freistaat Bayern zur Vollstreckung kommenden Todesurteile durch Enthauptung mit dem Fallbeil“ zuständig, wie es in seinem Arbeitsvertrag hieß. Bezahlt wurde dabei sozusagen auf Provisionsbasis: „Als Vergütung erhält Reichhart für jede Hinrichtung 150 Goldmark.“ 1933 begann der Aufstieg des begeisterten Nazi-Anhängers zum landesweit bekanntesten Scharfrichter.
    Dabei war Johann Reichhart nicht nur Ausführender: Er sah es ebenso als seine Aufgabe an, die technischen Aspekte der verschiedenen Hinrichtungsarten (neben der Guillotine gehörte dazu im Dritten Reich auch das Erhängen) weiter zu verfeinern. Die technischen Verbesserungen dienten in erster Linie dazu, die Hinrichtung für den Delinquenten möglichst schnell und schmerzfrei durchzuführen. Es heißt, dass Reichhart sich gebrüstet habe, als Erster eine komplette Hinrichtung in unter vier Minuten durchführen zu können. Zudem brauchte er angeblich nur einen Blick auf den Hals des Hinzurichtenden zu werfen, um für diesen unter seinen verschiedenen Fallmessern dasjenige auszuwählen, das am geeignetsten war.
    Nach dem Krieg wurde Reichhart übrigens noch weiterbeschäftigt – von den Alliierten, in deren Auftrag er über 150 NS-Kriegsverbrecher hinrichtete. Dann verschwand er aus der Öffentlichkeit, in die er nur einmal, Anfang der sechziger Jahre, zurückkehrte, als Ehrenmitglied des Vereins zur Wiedereinführung der Todesstrafe e. V. Dazu könnte man ein Zitat vom Kabarettisten Wolfgang Neuss aus jener Zeit anführen: „Sollte man nicht die Todesstrafe einführen beziehungsweise ausführen für Leute, die sie vorschlagen?“
     
    Am 19. April fand in München ein weiterer Prozess statt, in welchem nun Prof. Huber, Alexander Schmorell und Willi Graf zum Tode verurteilt wurden. Sie wurden bis zum Herbst 1943 ebenfalls hingerichtet. Außerdem kamen noch weitere Freunde von Hans Scholl und Aktivisten der „Weißen Rose“ vor Gericht. Die meisten verbrachten die Zeit bis Kriegsende im Gefängnis.
    |99| Und doch gelang es jemandem, das letzte Flugblatt der Weißen Rose über Skandinavien nach England zu schmuggeln. Dort vervielfältigte man es, und noch im Sommer 1943 warfen Flugzeuge der Alliierten das Flugblatt millionenfach über Deutschland ab. Nicht ganz zwei Jahre später war der Krieg endlich vorbei, der NS-Staat am Ende, und der Wunsch, den Hans Scholls letzte Worte ausdrückten, wurde für viele Deutsche und Europäer endlich Wirklichkeit.

|100| H. G. Wells
„Gehen Sie weg. Mir geht’s gut.“
    Wahrheitsgehalt: 100 %
    Voller Name: Herbert George Wells
    Tätigkeit: Schriftsteller
    Gestorben: 13. August 1946 in London
    Im Alter von: 79 Jahren
    Todesursache: Diabetes (?)
    Letzte Worte im Original: „Go away. I’m all right.“
    Quelle: Krankenschwester
    Zitiert nach: The Spectator 249 (1982), S. 18
     
    Der Autor von „War of the Worlds“ und „The Time Machine“ starb erst 50 Jahre nach seinen wichtigsten Veröffentlichungen. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Entwicklung der Menschheit den Humanisten und Utopisten alle Hoffnung auf eine bessere Zukunft aufgeben lassen. Genau das spiegelt sich in seinen letzten Worten.
    Wie starb er?
    Sein Roman „The Time Machine“ (1895) gilt als Prototyp des modernen Science-Fiction-Romans. Doch H. G. Wells war nicht allein daran gelegen, phantastische Welten zu erfinden und Abenteuer zu erzählen: In den meisten seiner zahlreichen Werke steckt eine zutiefst humanistische Botschaft. Er war Republikaner und Antimonarchist, setzte sich für die Menschenrechte ein. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden seine Bücher immer politischer, er vertrat die Ansicht, dass die Menschheit nur zu retten sei, indem ein gemeinsamer Weltstaat errichtet würde. 1933 sagte er in „The Shape of Things to Come“ voraus, dass am 1. Januar 1940 der nächste Weltkrieg beginnen würde – wenn die Menschheit nicht endlich zur Vernunft käme. Sie tat es nicht, und am Ende hatte der Schriftsteller sich nur um wenige Monate vertan.
    Als Wells im hohen Alter, kurz vor seinem 80. Geburtstag, starb, hatte er nicht nur den Ersten, sondern auch das noch viel größere Leid des Zweiten Weltkriegs miterleben müssen, das im Abwurf der Atombomben über Hiroshima |101| und Nagasaki

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