Seherin von Kell
Tage unendlich langsam über die nebelverhangene See getastet hatte, fühlte er sich nun schwach und der Erschöpfung nahe. Mehr denn alles andere wollte er jetzt frei von diesem Panzer sein, aber der Gedanke an die Kraft, die es kosten würde, aus ihm herauszuschlüpfen, schreckte ihn ab.
Er gab sich müde damit zufrieden, den Helm abzunehmen. Dann beobachtete er die Gefährten.
Obwohl Geran nun ganz offensichtlich laufen konnte, bestand Ce -
Nedra darauf, ihn zu tragen. Sie drückte ihre Wange an seine und nahm sie hin und wieder gerade lange genug weg, um ihn zu küssen. Geran hatte anscheinend nichts dagegen.
Zakath hatte einen Arm um die Schultern der Seherin von Kell geschlungen, und seine Miene verriet, daß er nicht die Absicht hatte, ihn je wieder wegzunehmen. Garion erinnerte sich mit verstohle-nem Lächeln, wie Ce'Nedra sich während der ersten Zeit ihrer einander offen eingestandenen Liebe immer wieder so unter seinen Arm geschoben hatte. Müde trat er zu Eriond, der über die sonnen-beschienenen Wellen schaute. »Darf ich dich etwas fragen?« wandte er sich an ihn.
»Selbstverständlich, Garion.«
Mit einem bedeutsamen Blick auf Zakath und Cyradis fragte Garion: »Sieht so die Zukunft für die beiden aus? Ich meine, Zakath hat in seiner Jugend ein Mädchen verloren, das ihm sehr viel bedeutet hat. Sollte er auch noch Cyradis verlieren, würde er sich vielleicht nicht mehr davon erholen. Und ich möchte nicht, daß ihm weh getan wird!«
»Keine Angst, Garion.« Eriond lächelte. »Nichts wird diese zwei trennen. Ihre Verbindung ist vorherbestimmt.«
»Gut. Wissen sie das?«
»Cyradis weiß es. Sie wird es Zakath noch erklären.«
»Dann ist sie noch eine Seherin?«
»Nein, dieser Teil ihres Lebens endete, als Polgara ihr die Augenbinde abnahm. Sie hat jedoch in die Zukunft geblickt, und sie verfügt über ein sehr gutes Gedächtnis.«
Garion dachte kurz darüber nach, dann riß er die Augen weit auf.
»Willst du damit sagen, daß das Schicksal des gesamten Universums von der Wahl einer ganz gewöhnlichen Sterblichen abhing?«
»Ich würde Cyradis keineswegs gewöhnlich nennen. Sie hat sich seit ihrer frühesten Kindheit auf diese Wahl vorbereitet. Aber auf gewisse Weise hast du recht. Die Wahl mußte von einem Menschen und ohne Hilfe getroffen werden. Nicht einmal ihr Volk konnte Cyradis in jenem Moment helfen.«
Garion schauderte. »Das war bestimmt furchtbar für sie. Sie muß entsetzlich einsam gewesen sein.«
»Das war sie. Aber das sind Menschen immer, die Entscheidungen treffen.«
»Sie hat ihre Wahl dochnicht dem Zufall überlassen, oder?«
»Nein. Allerdings wählte sie nicht wirklich zwischen deinem Sohn und mir, sondern zwischen dem Licht und der Finsternis.«
»Dann verstehe ich nicht, was daran so schwierig war. Zieht denn nicht jeder das Licht der Finsternis vor?«
»Du und ich vielleicht, doch die Seher haben schon immer gewußt, daß Licht und Finsternis nur die entgegengesetzten Seiten von ein und demselben sind. Aber mach dir Zakaths und Cyradis' wegen keine Sorgen, Garion«, kehrte Eriond zum ursprünglichen Thema zurück. Er tippte sich mit einem Finger auf die Stirn. »Unser gemeinsamer Freund hier hat ein paar Vorbereitungen für die beiden getroffen. Zakath wird für fast den ganzen Rest seines Lebens eine sehr wichtige Rolle spielen, und unser Freund hat so seine Art, Leute zu ermutigen, Erforderliches zu tun, indem er sie belohnt –
manchmal im vorhinein.«
»Wie Relg und Taiba?«
»Oder dich und Ce'Nedra – oder Polgara und Durnik.«
»Darfst du mir verraten, was das für eine Rolle ist, die Zakath spielen soll? Wie kann er für euch so wichtig sein?«
»Er wird beenden, was du angefangen hast.«
»Habe ich es denn nicht richtig gemacht?«
»Doch, aber du bist kein Angarakaner. Du wirst mit der Zeit schon verstehen. Es ist nicht wirklich kompliziert.«
Garion kam ein Gedanke, und im selben Moment war er absolut sicher, daß er stimmte. »Du hast es die ganze Zeit gewußt, nicht wahr? Wer du wirklich bist, meine ich.«
»Ich wußte, daß ich bereit dafür war. Es wurde jedoch erst offenbar, als Cyradis ihre Wahl traf.« Er blickte hinüber zu den anderen, die sich traurig um Toths Leichnam geschart hatten. »Ich glaube, sie brauchen uns jetzt«, sagte er.
Toths Gesicht war friedlich, und die über der Brust gefalteten Hände verbargen die Wunde, die ihm Cthrek Goru geschlagen hatte, als Mordja ihn tötete. Cyradis stand in Zakaths Armen geborgen, und
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