Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition)
»mit dem Einverständnis des Vertreters der Inquisition die Absolution. Eure Exkommunikation wird damit zurückgezogen. Diese Absolution wird schriftlich festgehalten.«
»Ich möchte eine Aussage machen, aber nur vor Pater Blouyn und dem obersten Richter der Bretagne.«
Da war er, der eine Satz, auf den alle gewartet hatten. Der vorwegnahm, was alle geahnt hatten. Bérénice versuchte, die Erregung auf den Gesichtern der Anwesenden abzulesen, die Gier nach einem aufsehenerregenden Ereignis, das noch in Jahren Stoff für abendliche Gespräche bieten würde.
Julien.
Triumphierend sah er zu ihr herüber. Sie bemühte sich um ein Lächeln und wusste, dass es matt erscheinen würde. Ebenso wenig entging ihr das Stirnrunzeln des Bischofs, des Mannes, den Amédé soeben von seiner Aussage ausgeschlossen hatte. Wo war der Bauer mit dem lahmen Bein, dessen Liebste im Kerker saß? Hatte er im Saal Platz nehmen dürfen? Würde es ihm jetzt besser gehen, oder würde die Angst nun erst recht hochpeitschen? Die Angst, dass Amédé das Mädchen belastete? Um sich reinzuwaschen? Was würde geschehen, wenn der Angeklagte, Baron Amédé de Troyenne, zu sprechen begann?
Amédé.
Der es geliebt hatte, am Fenster zu stehen und hinauszusehen, wenn es regnete. Dabei war ihm die Anwesenheit seiner Frau selbstverständlich gewesen, die sich vor dem Feuer wärmte und die einen Namen hatte: Bérénice. Der er seine Gedanken offenbart hatte. Ein Jüngling noch, ohne Krieg, ohne Gewalt, mit ruhigem Schlaf. Wie lange war das her?
Erneut verlor der Gerichtssaal seine Farben, und in das Schwarz und Weiß mengten sich graue Flocken, die an Schneetreiben erinnerten. Die Stimmen wurden mit zunehmendem Flockenfall leiser, verwehten, bis Stille sie umgab.
Man hatte dem Baron ein Gemach zugewiesen, das weitläufig und hell war, mit Fliesenboden und Kamin ausgestattet, einem Betstuhl und einer Schlafstätte auf einem Podest, umgeben von schweren Vorhängen. Doch anscheinend war die Magd noch nicht im Zimmer gewesen, um hinter dem Baron herzuräumen, der ohne seinen Knappen offensichtlich nicht in der Lage war, Ordnung zu halten. Verschiedene Kleidungsstücke lagen herum, Kissen und Decke lagen zerwühlt, auf dem Tisch stand Geschirr mit Essensresten. Niemand hatte damit gerechnet, dass die Verhandlung unterbrochen und ein Geständnis außergerichtlich erfolgen würde.
Der Baron eilte zum Tisch und wischte mit dem Ärmel die Brotkrümel auf den Boden. Eine Magd mit roten Wangen, deren innere Hitze sich fleckig über den Hals bis in ihren Ausschnitt ergoss, eilte am Tross der Männer vorbei, raffte das Geschirr an sich und versprach stammelnd, umgehend Wasser und Wein herbeizuschaffen.
»Wagt es nicht, uns zu stören. Wenn wir etwas brauchen,werden wir uns melden. Wartet einfach vor der Tür«, fuhr Pater Blouyn sie an. Das Mädchen, inzwischen waren auch ihre Ohren dunkelrot angelaufen, knickste und verschwand.
Pater Blouyn, der oberste Richter, der Schreiber des Gerichts und er, Julien Lacante, der Generalexaminator der Zeugen vor Gericht, nahmen Platz. Geräuschvoll blätterte der Schreiber in seinen Papieren, ergriff eine Feder, öffnete das Tintenfass und sah dann erwartungsvoll zu Amédé de Troyenne. Der saß am Kopf des Tisches, vorgebeugt, die Unterarme auf den Tisch gestützt, die Hände wie zum Gebet gefaltet. Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und wartete darauf, dass irgendwer begann, Fragen an ihn zu richten.
»Amédé de Troyenne, Ihr wisst, warum wir hier sind. Um Euch die Möglichkeit zu geben, auf die belastenden Vorwürfe der einzelnen Aussagen zu reagieren, könnte ich Euch anbieten, die Zeugen selbst zu befragen«, eröffnete der Pater das Geständnis.
Julien stockte der Atem. Ahnte dieser Dominikanerpater, in welche Gefahr er die Zeugen damit brachte? Hilfesuchend sah er zum obersten Richter, doch auch der schien dieses Angebot nicht weiter bedenklich zu finden.
»Danke, ich verlasse mich auf das Gewissen der Zeugen. Ich will mich offenbaren, unabhängig davon, was andere mir für Missetaten anhängen. Ihr könnt am Ende gern nachfragen, wenn nicht alles hinreichend geklärt ist. Aber«, Amédé hob den Zeigefinger in die Luft, »mir liegt daran, meine Missetaten, und die habe ich begangen, mit allen zu teilen. Falls Ihr mein Geständnis in Latein niederschreibt, soll es aber so, wie ich es von mir gebe, in französischer Sprache, vorgetragen werden. Vor dem Volk, in der Stadt und auf dem Land. Ich will, dass
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