Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition)
gleich.«
»Pater Blouyn, die Haushälterin ist bisher nicht angeklagt, es gibt nichts als einige Hinweise eines wirren …«
Es war der Bischof, der den Kopf schüttelte und Julien verstummen ließ. »Ihr wisst doch, dass der Prozess so fortgesetzt wird, wie es der Stellvertreter des Inquisition wünscht. Haltet uns nicht mit Formalitäten auf, Ihr wisst selbst, dass auch Zeugen peinlich befragt werden dürfen.«
Die Knochen knackten, als der Pater erneut zubiss. Er nickte zufrieden. Mit vollem Mund sprach er Julien an: »Die Sache ist ganz einfach: Wenn man eine der verschwundenen Leichen über Nacht wundersamerweise findet, belastet das unseren wirren Baron, und dieses Weib wird entlastet. Das heißt, dass sie nicht gefoltert werden muss. Wenn man keine Leiche findet, nehmen die Dinge ihren Lauf.«
Es war geraume Zeit her, dass die Glocken die Matutin geschlagen hatten, und für einen Moment zögerte Julien, an die Tür zu klopfen. Ohne Umweg war er aus dem Gespräch mit Pater Blouyn und dem Bischof direkt zu Bérénices Gemach geeilt. Erst wenn er mit ihr gesprochen hatte, wollte er den Baron aufsuchen. Ihn gegebenenfalls aus seinem Schlaf reißen und ihm mitteilen, dass er seine Spiele zwar treiben konnte, aber nicht mit ihnen. Dass der Scharfrichter mit seinen Folterinstrumenten ihm eine Antwort darauf geben werde. Doch nun galt es, die richtigen Worte für zwei Frauen zu finden, bei denen er sich manchmal fragte, wer die bessere Ehefrau für den Barongewesen wäre. Er schüttelte den Kopf, nickte der Nachtwache zu und klopfte leise an.
Francine stand am Fenster und starrte ins Dunkel der Nacht. Kaum hatte sie gesehen, wer eintrat, drehte sie den Kopf wieder weg. Gruß- und wortlos, als wäre er nicht erschienen.
Bérénice erhob sich von einem Lehnstuhl, den sie an den Kamin gezogen hatte. »Was führt Euch zu uns?«, fragte sie.
»Ich möchte Euch mitteilen, dass Pater Blouyn nun doch die peinliche Befragung für morgen angesetzt hat. Auch für die Haushälterin des Pfarrers aus Saint Mourelles. Von den noch verschwundenen Leichen muss zumindest eine gefunden werden, um Catheline Cogul zu entlasten. Denn dann wäre die erste Aussage des Barons bestätigt und der Beweis angetreten, dass er die Morde begangen hat.«
Bérénice erstarrte, während Francine herumwirbelte. »So sieht es also aus, wenn man seine Aussage widerrufen will? Wenn man darum bittet, noch einmal angehört zu werden? Und wen, Gott verdammt noch mal, interessiert diese elende Haushälterin?« Ohne sich umzublicken oder auf die Rufe ihrer Schwester zu achten, stürmte Francine aus dem Gemach.
Sie waren allein. Endlich waren sie allein. Unsicher fasste Bérénice Juliens Arm. »Geht es dir gut?«, fragte sie flüsternd.
»Nicht der Rede wert«, sagte Julien und rieb sich kurz den Rücken. Dann eilte er zur Tür, schloss diese und drehte sich zu Bérénice um. Sie folgte ihm und blieb erst stehen, als sie ganz dicht bei ihm war. Sie roch nach Sommer. Nach Rosen.
»Sie wird bald wiederkommen.«
»Ich weiß«, murmelte Julien und strich mit dem Finger sacht über Bérénices Wange.
»Weiß er es schon?«
»Nein, ich gehe gleich zu ihm. Und glaube mir, er hat es wirklich …«
Schnell legte Bérénice ihm die Hand auf den Mund. »Bitte nicht. Nicht du, nicht jetzt. Lass mir diese wenigen Momente der Unwissenheit noch. Es wird eine Aussage geben, die öffentlich verlesen wird, hast du gesagt. Es genügt, wenn ich dieser folge. Ich weiß nicht, ob ich jedes Detail erfahren will, ob ich es ertrage, dass ich so blind und gleichgültig war.«
»Er hat seine Aussage widerrufen. Vorerst wird nichts verlesen.«
»Aber er wird der Folter nicht standhalten. Er ist manchmal verwirrt, und dann schätzt er die Dinge falsch ein, denke ich. Die zurückgezogene Aussage, das war einer der Momente, in denen er anders ist, ganz anders als früher.«
»Aber wenn die Haushälterin zuerst gefoltert wird, wer weiß, was sie aussagt in dem Schmerz, den der Scharfrichter ihr zufügen wird. Wir brauchen eine der bislang vermissten Toten, so brutal es klingt, um zu belegen, dass seine Aussage richtig war.«
»Er weiß, wo die Leichen sind? Er hat es euch gesagt?«
Julien umfasste ihre Hand und drückte sie. »Ja, eine ist in der Nähe des Dorfes Saint Mourelles, eine in der Nähe von Port-Saint-Luc begraben. Ich habe bereits angewiesen, dass Männer der Garde des Herzogs ausreiten. Aber das werden sie erst im Morgengrauen tun. Es war nicht absehbar, dass
Weitere Kostenlose Bücher