Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition)
glühenden Kohlen. Auch hier vertraue ich darauf, dass Ihr wisst, wo sich an Eurem Leib noch Haare befinden, wenn das Haupthaar bereits fehlt. Es beginnt harmlos, mit dem Abbrennen der Achselhaare. Erst dann wendet sich der Scharfrichter den delikaten Stellen zu.«
Catheline sah auf den Rücken des Barons, der vor ihr stand, auf das hübsche Muster seines glänzenden blauen Wamses. Weigerte sich, die Zangen genauer zu betrachten, und verbot ihren Gedanken, den Bildern zu folgen, die der Promotor eigens für sie beide heraufbeschwor. Dennoch musste sie mit jedem Schritt flacher atmen, damit das Würgen in ihrem Hals nicht überhandnahm. Sie fürchtete sich vor den Konsequenzen, die es haben würde, wenn sie sich an diesem Ort übergab. Menschen, die solche Abartigkeiten erfanden und ausführten, hatten sicherlich auch hierfür grausige Strafen.
Der Promotor sprach nun den Baron mit samtweicher Stimme an. »Ich sehe, dass es Euch nicht gut geht. Hört auf meine Empfehlung: Offenbart Euch dem Gericht, sagt Euch von der Schuld los, die Ihr auf Euch geladen habt. Die Heilige Inquisition entlässt eher, um Gottes Willen zu ehren, einen Schuldigenin die Freiheit, als über einen Unschuldigen fälschlicherweise zu richten. Aber was würde Euch ein Leben in Freiheit nützen, wenn Eure Seele unfrei ist? Um Euch zu helfen, den Weg zu Gott zu finden, zögern wir deshalb nicht, die Wahrheit mit den Mitteln der tortura aus Euch herauszupressen.«
Erneut machte der Promotor eine Pause, ohne den inzwischen schweißnassen Baron aus den Augen zu lassen.
Peinliche Befragung, Folter, tortura. Mit Bedacht gewählte Worte, von denen eines abstoßender war als das andere. Der Druck in Cathelines Kehle nahm zu, und die Schweißperlen im Nacken des Barons wurden immer zahlreicher.
»Wenn Ihr Eure Aussage gemacht habt, also den Weg zur Wahrheit gefunden habt, wobei wir Euch nach Kräften unterstützen, wartet nur noch eine Aufgabe auf Euch. Dieses Geständnis, das wir confessio nennen, muss wiederholt werden vor den gerechten Richtern, die Gott Euch zur Verfügung gestellt hat. Eine Wiederholung außerhalb der Folter, aus freien Stücken, denn das Geständnis ist die Königin der Beweise.«
Das Erschrecken mit Worten. Wie lange konnte es noch dauern? In der Unterwelt schien sich die Zeit zu dehnen, wahrscheinlich die erste eindrucksvolle Waffe des Scharfrichters und seiner Gehilfen: der verschwenderische Umgang mit Zeit. Für Catheline hatten sich in der andauernden Dunkelheit ihres Verschlages Tag und Nacht verwischt. War die Vorstellung verblasst, dass außerhalb dieser kühlfeuchten Wände die Welt noch existierte. Dass über den Schlosshof Menschen eilten, die ihrem Tagewerk nachgingen, sorglos, nicht ahnend, welche Welt unter ihren Füßen schlummerte. Unvorstellbar, dass die Sonne schien, die Wiesen blühten, Wasser die Bäche hinabfloss.
Der Promotor drehte sich einen halben Schritt seitwärts, sodass er auch Catheline wieder im Blick hatte, während ermit fast väterlicher Miene weitersprach: »Es geht darum, Eure Zunge zu lösen. Denn ohne die Zunge gibt es kein Geständnis. Die Fragen, die im Verlauf der tortura gestellt werden, sind einfach formuliert, damit Ihr sie auch unter größtem Schmerz versteht und beantworten könnt. Das Ausmaß des Schmerzes, das Ihr erleiden müsst, hängt schlichtweg davon ab, wann Ihr Euch entscheidet, uns den Tathergang zu schildern. Und bitte vergesst nicht: Bei diesen Grausamkeiten, und das sind die Methoden der tortura in meinen Augen durchaus, geht es in erster Linie um Euch und niemand anderen. Um Euer Seelenheil.«
Der Baron hatte noch kein Wort verloren, seit sie in den Folterkeller geführt worden waren. Catheline bemerkte, wie sein linker Arm sich ein Stück hob und die Hand an der Wand nach Halt suchte.
»Wichtig ist noch, dass das Geständnis, das Ihr macht, nur gilt, wenn die Angaben überprüfbar sind. Sollten also Eure Angaben bei einer Überprüfung letztlich nicht stimmen, ist Euer Geständnis nichts wert. Verschwendete Lebenszeit aller Beteiligten, Eurer ohnehin.« Eindringlich schaute der Promotor Catheline an: »Euer Weg zu Gott kann seinen Anfang in der Angabe eines Fundortes nehmen. Wart es nicht Ihr, die alle Leichen entdeckt hat?«
Heftig schüttelte Catheline den Kopf, ihr Mund formte ein Nein, ohne dass ein Laut erklang. Der Druck in ihrer Kehle ließ kein Geräusch entweichen. Doch der Promotor erwartete offensichtlich noch keine Antworten. Das Erschrecken mit
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