Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition)
Francine aus, und ihre klagende Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Sein Blick wirkte mit einem Schlag fiebrig und fahrig, er fuhr auf und schob sich von der Bank. Jetzt zogen die Wachen ihre Schwerter, und Julien ließ sie gewähren.
Bérénice stand stocksteif neben der Bank, die Arme vor der Brust verschränkt und starrte ihren Mann an. Ihren eigenen Mann, der ihr so fremd geworden war. Sie glaubte erneut, einen Schwächeanfall zu erleiden, als Amédé vor ihr auf die Knie fiel und ihre Hand nahm.
»Glaube kein Wort von dem, was sie dir sagen. Sie haben mich zu meiner Aussage gezwungen, ich bin ein guter, im Glauben an Gott verwurzelter Mann. Von alledem, was sie mir anlasten, habe ich nichts getan, und ich werde meine Aussage widerrufen. Ich werde meine Unschuld beweisen, undPater Blouyn, er ist so gut zu mir. Sicherlich ahnt er, dass er die Täterin schon in seinem Gewahrsam hat.« Auf Knien rutschte Amédé noch näher an sie heran und presste seine Wange gegen den Stoff ihres Kleides, gegen ihre Beine, die wegzuknicken drohten wie trockene Halme. »Alles wird gut werden, glaube mir. Ich werde meinen Pflichten als dein Mann gerecht werden, ich verspreche es dir. Nie wieder werde ich dich und niemanden mehr auf dieser Welt im Stich lassen. Wir kehren zurück und werden gemeinsam auf Schloss Troyenne leben und den Fortbestand unseres Geblüts sichern. Bérénice, meine Bérénice.«
Dann erhob sich Amédé, wischte die Tränen aus seinen Augen, und sie spürte, wie er den Arm um ihre Schultern legte. Mit kühn gerecktem Kinn sah er zu Julien und den Wachen hinüber. »Magister, Ihr habt es gehört«, rief er. »Ich werde meine Aussage widerrufen und meine Unschuld beweisen. Leitet alles, was hierfür vonnöten ist, in die Wege.«
Man mochte es nicht glauben, dass hier zu Tisch nur zwei Männer saßen, bei der Fülle der Speisen, die vor ihnen standen. Die Finger des Paters glänzten fettig, und auch um seinen Mund hatten die Hühnerflügel schmierige Schlieren hinterlassen. Gut gelaunt hob er das Glas, ließ das Licht darin funkeln und prostete Julien zu. »Setzt Euch, Magister. Der Bischof und ich stärken uns ein wenig, bevor ich morgen den zweiten Teil der Aussage aufnehme. Bedient Euch, langt zu.« Er wischte sich mit einem Tuch über den Mund und runzelte kurz die Stirn. »Ach, und seht doch bitte zu, dass dieser Hauptmann geladen wird. Es scheint wichtig zu sein, ihn ebenfalls anzuhören.« Dann verzog sich das Gesicht und lachte den Bischof an, derihm gegenübersaß. »Aber ansonsten, saubere Arbeit. Einen guten Mann habt Ihr da.«
Der Bischof reagierte nicht, vielmehr hatte er die Hände sinken lassen, kaum dass sein Notar an den Tisch getreten war. Julien hatte den Blick spüren können, der sich über sein Gesicht getastet hatte und dann von den Schultern über die Arme zu seinen Händen geglitten war, die noch immer schlaff neben dem Leib herabhingen.
»Amédé de Troyenne hat beschlossen, seine Aussage zurückzuziehen«, stieß Julien hervor und hielt dann die Luft an.
Pater Blouyn warf den Hühnerknochen, von dem er gerade letzte Reste weißen Fleisches abknabberte, wütend auf den Boden. »Nein!«, brüllte er und stierte Julien an, als warte er darauf, dass dieser einen schlechten Witz auflöste.
»Das war abzusehen, ich weiß nicht, warum, aber das war abzusehen«, sagte der Bischof. »Bei diesem Mann hat der Verstand gelitten, wahrscheinlich will er uns jetzt wieder diese Catheline Cogul, die Haushälterin des Pfarrers, als Ablenkung anbieten, oder?«
Julien nickte.
»Jeden Tag wechseln des Herrn Barons Launen und Stimmungen, jeden Tag wartet er mit neuen Geschichten auf«, brüllte Pater Blouyn weiter. »Langsam habe ich genug davon. Was denkt der Mann, wie weit meine Großmut noch reicht?« Er wischte mit der Hand durch die Luft. »Gut, wunderbar. Soll er seine Aussage widerrufen. Das kann er morgen machen, im Kerker, ich werde gern dabei sein. Geht und sagt ihm, dass wir für morgen die Folter ansetzen, damit er sich darauf einstellen kann.«
Kurz bevor Julien die Tür erreichte, erklang ein Pfiff, als würde man einen Hund zurückpfeifen. »Halt, Magister«, nuschelteder Pater, der inzwischen seine Zähne in eine neue Hühnchenkeule versenkt hatte, »bringt dieses Weib, diese Haushälterin, Catheline oder wie sie heißt, auch mit. Mit der stimmt doch auch irgendetwas nicht. Also lasst uns beides in einem Aufwasch erledigen. Wer zuerst der Folter unterzogen wird, ist mir
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