Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition)
schlossen und sie aus seinem Bein herauszogen. Blut quoll in dickem Strahl.
Mit verwirrtem Blick ließ der Hauptmann das Schwert neben sich fallen und presste seine Hand auf die Wunde. Dann sackte er langsam in die Knie.
Meine Beine, dachte Mathis. Wenn er noch einmal das Schwert ergreift und ausholt, trifft er mich. Er rutschte erneut rückwärts, doch da erblickte er die Fackeln. Yann, der seinen Schmiedehammer mit sich trug, Martin und andere Männer, bewaffnet mit Heugabeln und Dreschflegeln. Laut rufendstürmten sie den Hang entlang, gefolgt von den Gardisten des Herzogs.
Mit zusammengekniffenen Augen sah der Hauptmann zu ihnen, dann kippte er vornüber.
Hastig erhob Mathis sich. Vier schwankende Schritte, dann ließ er sich neben Blanche fallen. Beugte den Kopf, legte sein Ohr an ihren Mund. Hörte ihren Atem und begann zu weinen.
Schloss Nantes
D as Rütteln am Gitter der Kerkertür ließ Catheline auffahren. Steif vor Kälte lag sie auf dem Boden inmitten der Scherben des zerbrochenen Kruges. Sie packte die größte, sprang auf und begann zu schreien. Hielt die Scherbe dem Wachmann entgegen, der eintrat. Es war nicht der alte, der gute. Der mit den Kirschen. Es war einer, den sie nicht kannte. Ein Fremder sollte sie holen, sie zum Scharfrichter bringen. »Nur über meine Leiche«, schrie sie ihn an und presste sich die gezackte Kante an den Hals.
»Scht, beruhige dich, Mädchen«, sagte der Fremde beschwichtigend, als wolle er einen durchgehenden Gaul beruhigen. »Alles ist gut.«
»Nichts ist gut! Der Scharfrichter bekommt mich nicht«, schrie sie gellend, hörte, dass ihre Stimme sich überschlug.
»Halt!«
Catheline zuckte zusammen.
Mathis.
Den rechten Arm in einer Schlaufe, einen neuen Treibstecken in der linken. Ein Schaffell um die Schultern gelegt.
Kein Scharfrichter.
Die Scherbe fiel zu Boden. Zersprang.
Der Kerker geriet in Bewegung und begann sich zu drehen. Catheline keuchte, griff sich an den Hals. Die Hand des Wachmannes packte sie, hielt sie aufrecht, bis Mathis neben ihr stand. Sie in das Fell einhüllte und vorsichtig auf den Boden legte. Den Treibstecken fallen ließ, sich neben sie kniete, ihren Kopf auf seinen Schoß hob. Ihr über die Wange strich. »Hole Luft und bleibe einen Moment liegen. Wir haben Zeit, und wenn du kannst, werden wir gehen. Von hier weggehen. Nach Hause.«
Saint Mourelles
E r hatte sich hinreißen lassen. Tatsächlich hatte er sich nochmals zu einem Dank hinreißen lassen, als der Magister die Studierstube betreten und ihm die Hand auf die Schulter gelegt hatte. Mathis musste grinsen. Dieser Bischofswicht. Vielleicht würde er ihn irgendwann doch noch erträglich finden. Aber er wusste, dass die Tage, in denen ihre Schicksale sich miteinander verwoben hatten, gezählt waren. Dass nur noch lose Fäden bestanden, die miteinander zu verbinden sie dabei waren, um das Ende zu finden.
Catheline kam herein. Sie war blass. Die letzten Monate hatten diese kräftige Frau zusammenschmelzen lassen und zur dürren Spindel gemacht. Doch in ihrem Gesicht lag die alte Zuversicht, vielleicht ein bisschen weniger keck, dafür reifer. Noch schöner. Sie stellte den Krug mit Wein auf den Tisch und nahm wie selbstverständlich auf der Bank neben Pfarrer Jeunet Platz. Niemand, nicht einmal der Magister störte sich daran.
»Wie ich sehe, sind alle wohlauf, das freut mich«, ergriff der Magister das Wort, und Mathis dachte, dass es aufrichtig klang.
»Sicher seid Ihr heute hier, um uns zu berichten, wie der Prozess ausgegangen ist«, sagte Pfarrer Jeunet und lächelte.
Der Magister räusperte sich. »Ja, das Inquisitionsgericht hat Amédé de Troyenne wegen der Teufelsbeschwörungen der Ketzerei für schuldig erklärt. Natürlich ist er auch des Mordes für schuldig befunden worden.«
»Ist es tatsächlich Rachel gewesen, die uns noch über ihren Tod hinaus zur Seite stand?«, fragte Mathis.
»Ja, auch ohne Folter hat der Baron nach dem Fund des Mädchens seine Aussage bestätigt. Auch wenn wir immer noch das Bettelmädchen suchen, um sie beizusetzen, hat die eine L…«, er brach ab und setzte erneut an, »hat das Auffinden von Rachel Authié zum erhofften Durchbruch geführt.«
Catheline zerrte an ihrem leinenen Küchentuch, das sie in den Bund ihrer Schürze geklemmt hatte, und schnäuzte sich, wie sie sich immer geschnäuzt hatte. Zu laut. Zu lang. Einfach rührend. Dann knüllte sie das Tuch in ihren Händen. »Warum hat er es getan?«, fragte sie.
»Ich weiß
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