Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition)
dass einer der Männer vor ihm angekommen war? Vielleicht Yann mit dem Wagen? Mathis fröstelte und wusste, dass das nicht sein konnte.
Er reckte den Hals. Licht. Noch schwach, aber deutlich flackernd war es zwischen den Bäumen auszumachen. Behutsam schob er sich noch ein Stück vorwärts. Das Hacken verstummte.
»Komm raus. Ich weiß, dass du da bist, du Idiot.«
Hauptmann Bouchet.
Mathis sank in die Knie, seine Finger gruben sich in den Boden, auf dem er hockte, spürten kalte Erde, Blätter einer Pflanze wischten über seinen Handrücken. Gern hätte er sich klein gemacht, sich zusammengekauert und einfach gewartet, bis die anderen kamen. Bewaffnet und auf zwei Beinen.
»Nun komm schon, dein Pferd war bis Nantes zu hören, und im Anschleichen bist du auch nicht der Beste.« Gelächter folgte. »Komm her und sieh sie dir an.«
Mathis hob seine Finger aus der Erde und zog sich an einem tief hängenden Ast in die Höhe. Schob Buschwerk beiseite und sah den Hauptmann, der die Fackel hob, um sie in die von ihm ausgehobene Grube zu werfen.
»Nicht, wagt es nicht. Ihr werdet es bereuen«, brüllte Mathis und wusste, dass seine Worte haltlos, nahezu blanker Unsinn waren.
Erneut lachte der Hauptmann auf. »Du Krüppel willst mich aufhalten?«, antwortete er und klang amüsiert. Mit der freien Hand griff er das Heft seines Schwertes und zog es aus der Schwertscheide. »Weißt du, dass es viele Unterschiede zwischen uns gibt? Ich habe zwei Hände, in der einen eine Waffe, in der anderen Feuer. Was hast du außer warmen Worten zu bieten, um dich zu verteidigen? Nichts! Also versuche dich hier nicht aufzuspielen.« Langsam schritt er auf Mathis zu. »Und weißt du, was mir besondere Freude bereitet? Ich habe auch zwei Beine, mit denen ich dich verfolgen kann, denn selbst zum Weglaufen bist du nicht in der Lage.« Er stieß den Stab der Fackel in den Boden, richtete sich auf, das Heft des Schwertes nun mit beiden Händen umfasst.
Schweiß perlte Mathis’ Stirn herab. Hastig sah er sich um, bückte sich und zog einen schweren Ast hervor, der von Bodendeckernund Moos halb überwuchert war. Riss ihn in die Höhe, als auch schon der erste Schwertschlag auf das Holz krachte. Er spürte den Hauch, den die Klinge hinterließ, als sie durch die Luft raste, direkt an seiner Wange vorbei. Herr im Himmel, hilf mir, brüllte es in ihm. Er wird mir den Schädel einschlagen.
Der zweite Hieb rauschte nur um Haaresbreite an seinen Fingern vorbei, die den Ast umklammerten. Die Wucht des Schlages ließ ihn taumeln, sein Gewicht lagerte auf dem gesunden Bein, das lahme knickte ein, als er es nach hinten setzen wollte, um sein Gleichgewicht zu finden.
Die Augen des Hauptmannes funkelten, Jagdgier und Belustigung vermischten sich auf seinem Gesicht.
»Überlass Rachel mir, du hast damit nichts zu tun. Es geht um den Baron«, keuchte Mathis. Ein plumper Versuch, Zeit zu gewinnen. Irgendwann mussten sie kommen. Die anderen.
Kurz verzerrte sich die Miene des Hauptmannes, dann riss er das Schwert noch weiter hinter sich, um das Höchstmaß an Kraft in den nächsten Schlag zu legen.
»Verdammt, du hast auch damit zu tun«, entfuhr es Mathis. »Du denkst, du bist ein ganz Schlauer, was?«, brüllte der Hauptmann und ließ das Schwert um eine Armlänge herabsinken. »Aber was nützt dir dieses Wissen schon? Sobald dieses Putzweib des Pfaffen der Folter unterzogen wird, wird sie schon alles, was man ihr vorwirft, gestehen. Und wenn ich mit dir fertig bin, dann wird es keine Leiche und somit keinen Beweis mehr gegen den Baron geben. Dieses Bettlermädchen ist unauffindbar, da bin ich sicher, ich habe sie schließlich selbst vergraben.«
Der Hauptmann hob das Schwert erneut, hielt es über seinem Kopf in die Höhe. »Mein Leben wird weitergehen wie bisher«, sagte er ruhig, »während du deines jetzt verwirkt hast.«Nochmals sauste das Schwert durch die Luft. Ein hässliches Knacken, als der Ast brach, dann spürte Mathis, wie sich die Spitze der Klinge in seinen linken Oberarm fraß.
Schloss Nantes
L ustlos blieb eine der Wachen im Gang zurück, während der ältere der beiden Männer die Tür öffnete. Mehrfach hatte er ihr Essen gebracht, mal eine dünne Suppe, dann wieder hartes oder halb ausgebackenes Brot, das noch teigig feucht war. Stets hatte er alles auf den Boden gestellt und sich vergewissert, dass genug Wasser im Krug war. Heute griff er in seine Tasche und zog drei Kirschen hervor, die er neben den Teller mit der Suppe legte.
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