Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition)
Avel erwähnte einen schwarzen Reiter, der das Mädchen angesprochen hat. Er sagte, sie sei dann weg gewesen.«
Mathis spürte die Unruhe der Frauen. Sie sprang auf ihn über und kroch durch seinen Körper. Ein Reiter. Nun gut, er könnte durch das neuerliche Schneetreiben den Weg aus den Augen verloren und sich bei Rachel erkundigt haben, versuchte er sich zu beruhigen. Viele Menschen werden bei dem Wetter nicht unterwegs sein, die man nach dem Weg fragen kann, und Avel kommt dafür nicht infrage.
»Wir müssen gemeinsam mit Avel den Weg abgehen und nach Rachel suchen. Aber Eve hat darauf«, Blanche machte eine Pause, um das folgende Wort zu betonen, »verwiesen, dass Avel auch Raymond begleitete, als dieser die Haken zum Schloss geliefert hat.«
Eve hob ihren Kopf in die Höhe und schob das Kinn vor. »So war es aber, da könnt ihr Gabin und meine Söhne fragen. Als Raymond die Lieferung zum Schloss machte, war er in Begleitung von Avel. Ich habe sie gesehen.«
»Warum sagst du das jetzt erst?« Mathis fühlte, dass er Eve diese Frage nur stellte, weil ihm keine andere einfiel.
»Ja, weil es nicht wichtig war. Aber eben, da fiel es mir halt auf.« Eve kniff die Augen zusammen. »Und dann sage ich es, auch wenn es keiner hören will.«
»Himmel, das ist ein Dorf und nicht Nantes. Hier begegnen sich alle im Laufe eines Tages. Was redest du da?«, fuhr Grete sie an, dass ihre grauen Locken wippten. »Bist du von Sinnen? Denkst du auch nach, bevor du dein Schandmaul öffnest?«
Catheline stand, seit sie die Hütte betreten hatten, an derTür. Nun ging sie an Eve vorbei, die ansetzen wollte, Widerworte zu geben, sich aber anscheinend eines Besseren besann. Stattdessen beobachtete sie Catheline, die sich neben Avel kniete und ihm über den Rücken strich. »Eve ist aufgeregt, da sagt man schon mal Dinge, die man nicht so meint. Niemand denkt, dass du etwas Böses getan hast. Wir wissen alle, dass du ein Guter bist.«
Avel hob den Kopf von Blanches Schoß und sah Catheline unsicher an.
»Wir brauchen deine Hilfe. Magst du uns zeigen, wo du den Reiter gesehen hast? Der Schnee fällt dicht und schnell. Wenn wir nicht bald aufbrechen, sind die Spuren verschwunden. Deshalb müssen wir uns beeilen, nach Rachel zu suchen.«
Avel stand auf und ergriff Blanches Hand. »Komm, Mama«, sagte er, »ich zeige dir alles, dann wirst du sehen, dass ich recht habe.«
Gerührt von Cathelines Einfühlsamkeit, senkte Mathis den Kopf, doch just in diesem Moment sank Ysa auf die Knie. Stöhnend presste sie den immer noch greinenden Luc an ihren schweren Leib. »Der Teufel ist unter uns«, stieß sie hervor und rang um Luft. »Er kommt immer wieder, um sich meine Kinder zu holen. Nun auch noch meine Rachel. Was habe ich getan? Sagt mir doch: Warum hat Gott mich verlassen?«
Grete hockte sich zu Ysa, umfasste sie mit beiden Armen und zog sie samt dem Säugling an ihre Brust. »Wirst du wohl schweigen und uns nicht das Böse herbeirufen«, flüsterte sie und legte ihr Kinn auf Ysas Kopf, wobei sie Eve fixierte. »Geh und hol Martin, er hilft Yann in der Schmiede. Sag ihm, dass seine Frau ihn braucht. Deinetwegen.«
Schloss Troyenne
S ie schwebt, dachte Julien und zögerte, auf sein Pferd zu steigen und das Schloss zu verlassen, um nach Nantes zu reiten. Warum sollte er Bischof du Clergue so eilig einen unterzeichneten Vertrag über ein Anwesen präsentieren, das eigentlich niemand erwerben wollte? Das nur gekauft wurde, weil man es dem Baron derzeit für wenig Geld abknöpfen konnte. Warum sollte er die Heimkehr überstürzen, wenn er für einen Moment Bérénice de Troyennes Gegenwart genießen durfte?
Der Page, der sein Pferd aus den weitläufigen Stallungen geholt hatte und ihm die Zügel entgegenhielt, hüstelte. Julien ignorierte ihn. Während andere Frauen im Angesicht von Schnee und Eis durchs Leben trippelten und schlitterten, schwebte diese Frau, den Rocksaum des Kleides ein wenig angehoben, über den vereisten Schlosshof. Die Baronin bemerkte ihn nicht, lief weiter, ihm entgegen. Kam näher und war nun auf seiner Höhe. Ehe er sich versah, war sie an ihm vorbeigeeilt. Doch die Schwester, die ihr folgte, blieb vor ihm stehen.
Ja! Ja!, jubilierte es in ihm. Nun musst du innehalten und dich umwenden. Sieh mich an. Bitte, auch wenn es nur kurz ist.
Und sie wandte sich um und sah ihn an.
Erleichtert atmete er aus und befand, dass die gewonnene Aufmerksamkeit der richtige Moment war, die Schwester in Augenschein zu nehmen.
Weitere Kostenlose Bücher