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Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition)

Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liv Winterberg
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schlichtweg undenkbar, erkannte er mit einem Schlag.
    Rastlos jagte sein Blick umher und streifte dabei den Boden. Hier hatte ein Kampf stattgefunden, bemerkte er und versuchte, sich zu konzentrieren. Die Angst beiseitezuschieben, um denken zu können. Niemandem war damit geholfen, wenn er sich in seinen Ängsten verlor. Er musste einen klaren Kopf bewahren.
    Langsam atmete Mathis aus und rief sich Gabins Bild vor Augen. Schmal war der Tagelöhner gewesen, fast dürr, aber gleichermaßen auch flink und wendig. Es war nicht zu übersehen, dass er sich gewehrt hatte. Mathis ging in die Knie, wobei er sich an seinen Treibstecken klammerte, um das Gleichgewichthalten zu können. Der aufgewühlte Boden zeigte zahlreiche Fußspuren, man erkannte die Abdrücke von Gabins unförmigen Schuhen und von wohlfeil geformten ledernen Stiefeln.
    Blanche nickte. »Ich habe es auch gesehen. Stiefel. Ich habe es dir doch gesagt, dass der Mörder auf dem Schloss zu suchen ist. Denn Stiefel tragen die Herren und die Berittenen. Also nur die Menschen, die sich so etwas leisten können.«
    Schmied Yann kam den Hang herauf. »Ich habe mich beeilt, aber ich musste den Wagen weiter unten stehen lassen, da der Weg hier zu eng und steil ist.« Er schaute auf Gabin, das Blut, die schlammige Erde, den graubraunen Schnee und schüttelte den Kopf. »Ich ertrage es nicht mehr, ich ertrage es einfach nicht mehr«, flüsterte er. »Heute Morgen war er noch bei mir. Er wollte wildern, eine Falle aufstellen, damit die Kinder mal wieder ein Stück Fleisch auf dem Teller haben.«
    Unter anderen Umständen hätte Mathis darauf verwiesen, dass das Jagen nur dem Baron vorbehalten war. Doch er schwieg. Was nützte es, altkluge Reden zu führen, wenn man selbst nicht besser war, wie unschwer an seinem hinkenden Bein zu erkennen war? Was nützte es, daran zu erinnern, dass der Pfarrer befohlen hatte, dass sich niemand mehr allein auf den Weg machen sollte? Gabin war tot.
    »Hier sind Abdrücke von Pferdehufen zu erkennen«, sagte Yann und wies auf eine Stelle, an der die Erde bereits großflächig freilag. Nass glänzte sie in der Sonne und zeigte die Abdrücke so deutlich, als wären sie mit dem Messer in ein Stück Holz getrieben worden.
    Catheline wischte sich mit dem Umhang durch das Gesicht, erhob sich und lief um den Erdflecken herum, um die Abdrücke zu betrachten.
    »Mein Sohn, er ist weg und doch noch immer überall«, sagte Yann, und seine Stimme klang unvermittelt brüchig. »Inder Schmiede ist es sein Schurz und in der Hütte ist er ohnehin überall. Die Kerben, die er als kleiner Junge mit einem Stein in die Bohlen des Tisches gehauen hat, den ich gerade neu gebaut hatte. Die Kratzspuren auf der Tür, als er die Sichel zu packen bekam und meinte, sie ins Holz schlagen zu müssen, bis sie hängen bleibt. Er ist immer überall, versteht ihr?«
    Mathis nickte und schaffte es nicht, den Blick des Schmieds, den er auf sich spürte, zu erwidern.
    »Und jetzt, jetzt ist er auch hier.« Yann zeigte auf die Hufabdrücke. »Nachdem der Schmied des Schlosses im letzten Frühling gestorben war, hat der Baron die Schmiede verkommen lassen, und man gab mir den Auftrag, die Pferde der Garde zu beschlagen. Vielleicht erinnert ihr euch, ich hatte alle Hände voll zu tun. Also habe ich Raymond erlaubt, mir zu helfen. Und er wollte es besonders gründlich machen. Deshalb hat er jeweils einen Hufnagel mehr eingeschlagen, als ich es ihm gesagt habe. In jeden Huf. Ich bin damals außer mir gewesen. Wisst ihr, wie viele Pferde mein Junge beschlagen hat? Wisst ihr, was mich das gekostet hat? Wisst ihr, dass ich mich dafür verfluche, dass ich ihm damals am liebsten das Kreuz wund geprügelt hätte?«

    Noch nie hatte Catheline Angst vor Eve gehabt. Doch als jene bei der Rückkehr ins Dorf vor dem Eingang zum Friedhof stand, setzte Cathelines Herz einen Schlag lang aus, um dann in einen Galopp zu verfallen, der sie schier atemlos machte. Pierre und Marcel klammerten sich an den Rock der Mutter, während der Wagen den Weg hinabrollte. Direkt auf sie zu.
    Noch nie hatte Catheline sich gewünscht, dass Eve ihren Mund öffnen und wieder ihr Gift verspritzen, laut zetern undschreien würde. Doch sie schwieg, stürzte vor, wobei ihre beiden Söhne, die den Rockstoff nicht aus den Händen gaben, hinter ihr herstolperten.
    Yann umfasste Eve und versuchte, sie vom Wagen wegzuzerren. »Das solltest du nicht sehen! Bitte, Eve, glaube es mir. Lass es auf sich beruhen. Lass die anderen

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