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Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition)

Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liv Winterberg
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lassen, denn eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. Man wird eher uns in die Bäume knüpfen, als in den Reihen der Berittenen nach einem Schuldigen zu suchen.«
    »Nein, ich würde es wagen, mit dem Baron darüber zu sprechen. Ich bin sicher, dass er für Recht und Ordnung sorgenwird. Aber bevor ich einen solch ungeheuerlichen Verdacht vortrage, will ich mich vergewissern, ob es auch in Port-Saint-Luc Vorkommnisse gab.«
    »Vorkommnisse! Was für ein dämliches Wort. Nehmen wir an, dass es dort Vorkommnisse«, Yann dehnte das Wort in die Länge, »gab, solltest du nicht darüber sprechen. Mit niemandem. Es wäre zu gefährlich.«
    »Doch, das werde ich machen, und wenn der Baron meint, mich in den Baum knüpfen zu müssen, wer fehlt dann schon? Ein Einbeiniger. Es gab in letzter Zeit schwerer zu verschmerzende Verluste.«
    »Ach, halt dein Maul, diese Leier will ich nicht hören. Sag mir lieber, ob du mit deinem Bein so lange reiten kannst. Nach Port-Saint-Luc ist schon ein ordentliches Stück Weg zurückzulegen.«
    Die Wärme in der Schmiede hatte Mathis’ Gesicht gerötet, doch nun wurde es heiß. Alle Erwiderungen, die ihm auf der Zunge lagen, schluckte er hinunter und wartete, bis er neue Worte fand.
    »Vorerst soll niemand davon erfahren, dass ich nach Port-Saint-Luc unterwegs bin. Wen irgendwer fragt, dann behauptest du einfach, ich hätte dir nicht gesagt, wohin ich reiten wolle«, sagte er nur.
    »Weiß Catheline davon?«
    »Warum sollte sie?«
    Yann schaute ihm direkt ins Gesicht. »Verstehst du es nicht? Es ist kindisch, was du da machst. Du quälst sie und dich. Siehst du nicht, wie schnell alles zu Ende sein kann?«
    »Gerade weil ich das so gut weiß, mache ich das, was ich für richtig halte. Und jetzt bring mich bitte zu deinem Pferd«, sagte Mathis. Er wollte sich abwenden, übersah die Truhe und blieb mit dem lahmen Bein daran hängen. Ehe er sich versah, fiel er.
    Yann ignorierte, dass er einem Käfer gleich auf dem Boden lag. Stattdessen hob er den Hammer, schlug ihn dreimal auf den Amboss. »Wusstest du, dass Luzifer, der Herr des Feuers, an den Amboss gekettet ist?«, fragte er. »Diese drei Schläge sollen verhindern, dass seine Ketten sich lockern. Solches Zeug hat mein Vater mir erzählt, und weißt du was? Ich habe ihn damals innerlich verhöhnt. Und nun? Nun stehe ich hier und beende mein Tagewerk ebenfalls mit drei Schlägen. Selbst den Hammer lege ich inzwischen auf den Amboss und lehne ihn nicht mehr dagegen, um zu verhindern, dass bösartige Kobolde über Nacht damit Unheil stiften.«
    Mathis saß noch auf dem Boden und zog den Beinling zurecht, der verrutscht war.
    »Nun los, steh auf, du alter Sack«, forderte Yann ihn auf. »Und höre auf, solchen Mist zu reden. Es reicht, wenn ich hier zum Tor werde.«

Frühling, 1440

Saint Mourelles
    D ie Sonne des anbrechenden Frühlings zerrte alles ans Licht: den Schmutz, der den Winter über ins Haus getragen worden war und der sich bis in die letzten Ecken ausgebreitet hatte. Catheline saß auf dem Schemel in der Küche und schaute den Sonnenstrahlen zu, die durchs geöffnete Fenster fielen und den Tanz des Staubs in Licht tauchten. Sie wusste, dass sie sich aufraffen und zum Brunnen laufen musste, dass es Zeit war, einen Eimer Wasser zu holen und einen ordentlichen Großputz zu beginnen. Doch ihre Glieder waren von einer Schwere erfasst worden, schon seit Tagen, die nicht mehr weichen wollte. In den Nächten lag sie wach, starrte ins Dunkel, und am Tage drohten ihr die Augen zuzufallen. Nicht mit einem Wort ging Vater Jeunet darauf ein, dass er am Morgen den Vorhang beiseitezog, der Cathelines Schlafstätte von der Küche trennte. Dass er sie weckte und daran erinnerte, sein Bett zu richten, und dass er sie mittags darauf aufmerksam machte, dass das Essen angebrannt roch. Er wusste, dass sie darunter litt, dass Mathis sich aufgemacht hatte, wohin auch immer, ohne einen Abschied. Er war weg, und kaum jemand hatte bisher ein Wort darüber verloren, wann er wiederkommen würde. Catheline fehlte die Kraft, danach zu fragen, weil sie ahnte, dass niemand die Antwort kannte. Ein Schweigen hatte sich nach Gabins Beisetzungüber dem Dorf ausgebreitet, das nur mit Mühe zu durchbrechen war. Jeder war mit sich beschäftigt und mit den Heiligen, die beschworen wurden, damit das Böse endlich weichen möge.
    Der Eimer. Neben der Tür stand er und schien sie aufzufordern, sich zu erheben, um endlich ihr Tagwerk zu beginnen. Die Beine des Schemels

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