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Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition)

Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liv Winterberg
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einen Anspruch auf das bisschen Hab und Gut erheben würde, das von ihrem Leben und den Vorangegangenen ihrer Familie zurückgeblieben war. So war Catheline bisher die Einzige, die sich in Gretes Hütte wagte.
    Die schmalen Luken waren geöffnet und tauchten den Raum in ein gräuliches Halbdunkel. Alles, der halb volle Becher, der neben dem angebrochenen Brot inmitten der Krümel auf dem Tisch stand, und die zerwühlte Schlafstätte, erweckte den Eindruck, als wäre Grete nur kurz außer Haus. Als würde sie jeden Moment wieder durch die Tür hereinkommen und sich auf den Schemel neben sie setzen.
    Cathelines Finger strichen über die Platte des Tisches, mit dem Fingernagel begann sie, einen angetrockneten Breirest vom Holz zu kratzen. Ihr Blick schweifte durch die Hütte, vorbei an einem alten Umhang, der an einem Haken neben der Tür hing, vorbei am Webstuhl, dessen Bänder sich verknotet hatten und darauf warteten, entwirrt zu werden.
    Was war, wenn Blanche recht hatte? Wenn der Täter vom Schloss stammte? Sowenig Catheline bei Rachel einen Zusammenhang zum Schloss erkennen konnte, sowenig war in dieser Hütte auf den ersten Blick einer auszumachen.
    Sie zuckte zusammen.
    Auch wenn sie es bisher nur in ihren Gedanken formuliert hatte, bemerkte sie, dass sie inzwischen davon ausging, dass auch Rachel und Raymond nicht mehr unter den Lebenden weilten. Wenn es keine direkten Verbindungen zum Schloss gab, dann kamen doch tatsächlich nur die Berittenen infrage. Sie waren es, die neuerdings regelmäßig in den Wäldern unterwegs waren. Aber woran sollte sie auch erkennen, ob es irgendeine Verbindung zum Schloss, zu irgendeinem Knecht, zu irgendeiner Magd oder wem auch immer gab?
    Sie lief durch die Hütte, brachte es aber nicht über sich, etwas zu berühren.
    So würde sie nicht weiterkommen.
    Aber so war es derzeit: Nichts half weiter. Weder Gebete und Hoffnungen noch ihre einfältigen Versuche, auf eigene Faust Antworten zu finden.
    Sie blieb vor der Wäschetruhe stehen. Hier würde sie anfangen, beschloss Catheline und öffnete den schweren Holzdeckel. Eines der Kleider von Gretes Töchtern lag darin. Gretes nie gezeigte Einsamkeit schien Catheline in diesem Moment anzuspringen. Sich wie ein Aufhocker auf ihren Schultern niederzulassen, wie er es sonst bei einsamen Wanderern tat, die er heimsuchte und auf ihrem Weg entkräftete, bis sie vor Erschöpfung zusammenbrachen. Sie bekreuzigte sich. In der Hütte gab es keinen Aufhocker, der auf ihre Schultern sprang und schwerer und schwerer wurde. Sie musste sich beruhigen.
    Langsam beugte sie sich vor und hob das zerschlissene Leinenkittelchen in die Höhe. Ein Hauch Stoff als Erinnerung. Catheline spürte Dankbarkeit, als das Kleidchen in ihren Händen lag. Dass das Schicksal ihr gnädig gewesen war und ihr wenigstens Jola gelassen hatte, als es ihnen die Eltern nahm, die, das wusste sie nur aus Erzählungen, sich zu Tode gespuckt und geschissenhatten. Dass sie nur vage Erinnerungen an ihre Mutter und den Vater hatte und den Verlust nicht in seiner brutalen Gänze hatte erfassen können.
    Die Tür wurde mit aller Kraft aufgestoßen. Das Kleid fiel in die Truhe zurück, und während Catheline herumfuhr, stieß sie den Schemel um. Schreiend stand sie im Raum. Sah Mathis hineinstürmen und konnte nicht aufhören zu schreien. Es war, als würde die Angst der letzten Wochen über sie hereinbrechen und mit sich reißen.
    Mathis packte ihre Schultern und schüttelte sie. Erst begann ihr Leib zu zittern, dann die Beine, die einzuknicken drohten. Das Zittern wurde schlimmer und die Angst fast zur Raserei.
    Mathis hob die Hand.
    Es klatschte laut.
    Ein Geräusch, das das Schreien durchdrang.
    Es hallte in ihrem Kopf nach, und dann war Ruhe. Nur ihre Wange brannte.
    Das Zittern verebbte. Sie lehnte die Stirn gegen Mathis’ Brust, gegen den kratzigen, vom Schneeregen nassklammen Umhang.
    »Verzeih mir. Ich war so erschrocken, Fußspuren im Schnee zu sehen. Zu ihrer Hütte. Und dann bist es du. Du und dieses Schreien … Ich wusste mir nicht anders zu helfen«, flüsterte er und strich sanft über ihre Schultern.
    Sie schüttelte nur den Kopf, schloss die Augen, roch nasse Wolle und ging darin auf, wie sich sein Brustkorb hob und senkte. Schob sanft die Finger zwischen den Treibstecken und seine Hand.
    Mathis legte seinen Kopf auf ihren, presste sein Gesicht in ihr Haar. Sein freier Arm lag fest um ihren Leib geschlungen, und er zog sie noch enger an sich.
    Dann trat er einen

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