Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition)
bestens aufgehoben.«
Eve griff in ihren Umhang, schob ihre Hand über den Tisch, öffnete sie und zog sie dann pfeilschnell zurück. Im Licht glänzte eine silberne Spange.
Vater Jeunet beugte sich vor. »Was ist das?«
»Eine Mantelspange«, antwortete Catheline.
»Wo hast du die her?« Mathis war einen Schritt näher getreten und musterte die fein gearbeiteten Ranken, die sich ineinanderschlangen.
Eve schlug die Hände vors Gesicht, offenbarte abgekaute Fingernägel mit schwarzen Rändern. »Ich habe sie bei Gabin gefunden.«
Catheline presste die Arme noch fester an ihren Leib, konzentrierte sich und begriff trotz allem nicht, worauf Eve hinauswollte.
»Als er tot auf dem Wagen lag, strich ich über seine Hand und merkte, dass er etwas umklammerte. Dann habe ich sie an mich genommen.«
»Es kann also sein, dass diese Spange vom Täter stammt? Warum bringst du sie jetzt erst?« Sosehr Catheline sich auch bemühte, ihre Aufregung zu verbergen, es gelang ihr nicht. Sie sprach zu schnell, stieß die Worte nahezu hervor, was Eve nicht entging.
Ihre Augen füllten sich erneut mit Tränen, und ein weitererSchluchzer rollte durch ihren Brustkorb. »Weil ich mich so schäme. So unendlich schäme, dass ich so vieles falsch mache.« Sie wischte sich mit dem Küchentuch die Tränen aus den Augenwinkeln. »Ich dachte, diese Spange würde einer Frau gehören. Als ich sie fand, war das wie ein weiterer Schlag für mich, ich konnte nicht mehr klar denken. Der Mann tot, und dann auch noch das. Ich wollte nicht, dass bei Gabin Dinge gefunden werden, die ihn mit einer fremden Frau, mit einer Sünde in Verbindung bringen.« Eve knüllte das Tuch, zog es auseinander und strich es glatt. Dann zupfte sie an den Fäden, die sich am Rand des Leinens lösten.
Catheline nahm die Spange, hielt sie ins Licht und reichte sie dann Vater Jeunet.
»Die Jungen haben sie bei uns in der Hütte gefunden. Man kann ihnen einfach nichts mehr verheimlichen.« Schrill lachte Eve auf, aber für einen Moment glätteten sich die verhärmten Züge, als würde der Gedanke an Pierre und Marcel ihr Kraft geben.
»Das kann ich mir vorstellen«, merkte Mathis an und lächelte kurz.
Eve zupfte heftiger an den Fäden. »Erst habe ich Raymond verdächtigt, aber als sich herausstellte, dass er selbst zum Opfer geworden ist, schämte ich mich so elendig. Diese Scham ist meine Strafe, sicherlich eine gerechte Strafe.« Ihr Blick flackerte. »Sie verursacht mir Übelkeit, so sehr, dass ich nicht mehr schlafen kann.«
»Wir sind alle fehlbar, und auch dir wird verziehen werden, da bin ich sicher«, unterbrach Vater Jeunet sie und legte die Hand auf ihren Unterarm. Dankbar sah sie auf die Hand, runzelig und von Altersflecken übersät.
»Ich habe mich nicht getraut«, fuhr sie leise fort, »zuzugeben, dass ich noch mehr … Schuld auf mich geladen habe.«
»Was hat dich veranlasst, uns die Spange nun doch zu zeigen?«, hakte Vater Jeunet behutsam nach.
»Pierre und Marcel. Die beiden haben sie in meiner Truhe gefunden und dann versteckt. Ich kann sie verstehen, sie glänzt so wundervoll, so etwas kennen die Jungen nicht. Als ich sie von ihnen zurückverlangte, logen sie mich erst an und sagten, sie hätten die Spange nicht genommen. Dann gerieten beide in einen Streit darüber, wer sie mir geben darf, und ich dachte immerzu daran, dass diese Spange wahrscheinlich das Letzte war, was ihr Vater berührt hat. Da wurde mir klar, dass sie nicht in unser Haus gehört, dass sie Unglück bringt und vielleicht ein wichtiger Hinweis sein kann.« Eve nickte heftig und nahm den Blick nicht von der silbern glänzenden Spange. »Und wie soll ich von den Jungen Ehrlichkeit einfordern, wenn ich nicht besser bin?«
Ohne es zu wollen, hob Catheline bei diesen Worten den Kopf und sah Mathis an.
Er wich ihrem Blick aus.
Schloss Troyenne
D as Schlafen fiel Bérénice schwer in den letzten Nächten. Immer wieder erschien ihr Juliens Antlitz vor Augen, eine Erinnerung, die sie stets bis zum Morgengrauen wach hielt. Und wenn sie doch in einen unruhigen Schlummer glitt, quälte sie der Traum, dass Francine sie mit Julien im Wald ertappte. Dass die Schwester mit einem Spaten in der einen und einem Pfahl in der anderen Hand hinter einem der Bäume hervortrat.
Verstärkt wurde diese Unruhe noch durch die Sorgen, die sie sich um Amédé machte, sodass sie die Rückreise angetretenhatte. Zurück an den Ort, der ihr so fremd, nahezu verhasst geworden war. Kaum war die Kutsche
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