Sehnsucht
geträumt?«
»Ich kann mich nicht an alles erinnern… Aber was ich noch weiß, reicht mir vollkommen.«
Sams Neugierde wurde durch Andres stockende Antwort angestachelt. Er lehnte sich nach vorn. »Erzähl's mir.«
»Wir waren alle hier im Oleander House, so wie jetzt auch. Da waren auch noch andere Leute, die ich nicht kannte. Ich kann mich erinnern, dass es eine Besprechung gab oder sowas ähnliches und ich bin aus dem Zimmer raus und…« Andre brach ab. Sein Blick nahm einen gehetzten Ausdruck an. »Da waren überall Körperteile… Blut an allen Wänden… Und diese… Dinge. Furchtbar schreckliche Dinge, sie erschienen einfach so, aus dem Nichts…«
»Was für Dinge?«, fragte Sam, obwohl er eine Ahnung hatte, was es war.
»Ich weiß es nicht. Ich hab sowas noch nie gesehen. Sie waren… bizarr. Ich konnte sie nicht richtig erfassen.« Andre lachte humorlos. »Ich sag dir eines, ich bin irgendwie froh, dass ich mich nicht daran erinnern kann, wie die Viecher ausgesehen haben. Ich glaube, das wäre nicht gut für mein Seelenheil.«
Sam wusste nicht, was er sagen sollte. Andres Traum kam ihm unangenehm bekannt vor.
»Was ist mit dir?« Andre nahm einen Schluck Kaffee. »Was hast du geträumt?«
Hitze. Schweiß. Das Geräusch von nackter Haut, die auf nackte Haut traf, während er in den Mann, der auf seinen Hüften saß, hineinstieß.
Knie, die sich in seine Rippen bohrten, ein Mann, der hart und schnell auf seinem Schwanz ritt. Ein rauer Schrei, Sperma auf seinem Bauch. Seine ausgestreckte Hand, um seinen Liebhaber zu berühren, mattes Licht, das von obsidianfarbenen Klauen reflektiert wurde. Und… Gott, es war seine eigene Hand…
Sam schüttelte den Kopf.
»Ich kann mich nicht mehr an Einzelheiten erinnern«, log er. Er nickte in Richtung der Küche und wechselte so aprupt das Thema. »Ist Bo da drinnen?«
»Nein. Ich hab einen Zettel von ihm gefunden, dass er Laufen gegangen ist.«
»Du meinst, wir bekommen heute kein selbstgemachtes Frühstück? Mist aber auch.«
Andre lächelte ihn müde an. »Tut mir leid. Es gibt Joghurt, Obst und Müsli. Eier auch, wenn du Lust zum Kochen hast.«
»Glaub mir, du willst nicht, dass ich koche.« Sam stand auf und streckte sich. »Ich hol mir einen Kaffee. Willst du auch?«
»Danke, ich hab noch.«
Sam schlurfte in die Küche. Er hatte Angst, Bo doch dort vorzufinden, aber der Raum war leer. Er goss sich einen großen Becher Kaffee ein und trank ihn in kleinen Schlucken, schaute dabei aus dem Fenster.
Auf der anderen Seite der Scheune sah er, wie sich jemand im Schatten der Kiefern bewegte. Einen Augenblick später trat die Person in den Sonnenschein und joggte aufs Haus zu. Sams Herz setzte einen Schlag aus, als er Bo erkannte. Als Bo näherkam und auf die Küchentür zuhielt, wandte Sam sich ab. Er konnte nicht einmal daran denken, mit Bo alleine zu sein. Noch nicht.
Die Hintertür öffnete sich in dem Moment, als Sam sich mit seinem Kaffee an den Esstisch setzte. Amy war inzwischen ebenfalls anwesend und unterhielt sich leise mit Andre.
»Guten Morgen, Amy«, sagte Sam. Er konnte Bo in der Küche hören, wie er den Kühlschrank durchsuchte.
»Guten Morgen.« Amys Stimme war merklich kühl. »Hast du gut geschlafen?«
Sam sah sie prüfend an. Er fragte sich, was sie wohl wusste oder vermutete. Fast hätte er sie sogar danach gefragt. Doch bevor er etwas sagen konnte, schwang die Küchentür auf und Bo kam ins Zimmer. Er hatte den Kopf in den Nacken gelegt und seine Kehle arbeitete, als er aus einer Flasche Orangensaft trank.
Sam versuchte, nicht hinzustarren. Doch das war gar nicht so einfach angesichts eines Bos, der nur mit Laufshorts bekleidet vor ihm stand. Ein leichter Schweißfilm ließ seine nackte Brust glänzen, vereinzelte schwarze Haarsträhnen waren dem Zopf entkommen und klebten feucht an seinem Gesicht und Nacken.
»Hey«, schnaufte Bo. »Tut mir leid, dass ihr euch heute selbst verpflegen musstet. Ich konnte einfach nicht still sitzen. Hab Bewegung gebraucht.«
Sam hörte, wie Amy etwas sagte, hörte Bo antworten, aber die Geräusche waren zu einem Rauschen geworden. Er beobachtete, wie sich Bos Lippen bewegten und erinnerte sich an den sanften, hingebungsvollen Seufzer, als sich eben diese Lippen für ihn geöffnet hatten. Ihre Blicke trafen sich. Bo sah schnell weg, doch Sam konnte den Puls an seiner Halsschlagader flattern sehen.
»Morgen, Leute!« Davids Stimme brach den Zauber, der Sam stumm und bewegungslos gehalten
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