Sehnsucht
immer wieder um diesen einen elektrisierenden Kuss. Bos seidigweiche Lippen, das Gefühl seiner Zunge, die sich gegen Sams bewegte. Er wollte den Kuss so gern wiederholen, dass es fast körperlich wehtat. Und was die Sache noch schlimmer machte: Bo wollte es auch, verwehrte es ihnen aber.
Erleichtert schaltete er den Fernseher nach Ablauf des Videos aus. Er gähnte und streckte sich. »Was für eine Zeitverschwendung.«
Andre blickte zu ihm herüber. »Nichts gefunden, hm?«
»Nicht den kleinsten Hinweis, nur das Gespräch von dir und Amy.«
»Hey, das ist genug Unterhaltung für alle!«
»Andre, ich mag euch beide wirklich gern, aber ich würde dir doch eher raten, bei deinem jetzigen Job zu bleiben.«
Andre brach in schallendes Gelächter aus. »Klugscheißer. Dein Film mit Bo ist bestimmt auch nicht besser.«
»Vermutlich nicht.« Sam zeigte auf Andres Band, das gerade abgelaufen war. »Hast du auf dem was gefunden?«
»Nicht wirklich. Jede Menge von Ceciles Pseudo-Gesprächen mit Geistern und David, wie er Cecile auf die Nerven geht und sie ihn deshalb anmault. Aber sonst nichts Ungewöhnliches.«
»So ein Mist. Ich hab wirklich gehofft, irgendwas zu finden.«
»Nicht nur du…«
Sam nahm das Scheunenvideo aus dem Rekorder und durchsuchte seine Tasche nach dem Video des Kinderzimmers. »Ich frage mich, was heute Morgen mit Cecile und David los war.«
»Naja, nach letzter Nacht wundert mich das überhaupt nicht.«
»Letzte Nacht?« Sam runzelte die Stirn und versuchte, sich an etwas anderes außer an Bo zu erinnern. Er hatte ein vages Bild von Cecile und David vor Augen, die nebeneinander gesessen und sich unterhalten hatten, aber das war auch schon alles.
»Was ist denn passiert?«
Andre warf ihm einen sonderbaren Blick zu. «Du meinst, dir ist nichts aufgefallen?«
»Nicht wirklich. Sind sie sich etwa näher gekommen?«
»Könnte man so sagen. Nachdem sie ihre steife Art aufgegeben hatte, war sie eigentlich ganz lustig drauf und David bekam dieses Funkeln in den Augen. Sie sind ins Gespräch gekommen und dann schließlich irgendwann zusammen verschwunden.«
Sams Brauen rutschten nach oben. »Im Ernst?«
»Jap. Ich kann nicht fassen, dass du das nicht bemerkt hast.«
Sam tat so, als würde er etwas an der Videoausrüstung einstellen, um seine geröteten Wangen zu verbergen.
»Bo und ich hatten etwas Geschäftliches zu bereden. Ich hab mich wohl zu sehr darauf konzentriert.«
Andre lachte leise. »Ist bei Bo genauso. Wenn es um ein für ihn interessantes Thema geht, könnte eine Horde Elefanten durch den Raum trampeln und er würde es nicht bemerken.«
Sams Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Ihm war Bos Blick gestern Abend aufgefallen. Der Blick, der nur ihn fixierte und den Rest der Welt ausblendete. Er wusste, dass Bo diesen Ausdruck auch bei ihm gesehen haben musste.
Wenn einer von ihnen eine Frau wäre, hätten es sicher alle sofort gemerkt, dachte er mit einem Anflug von Bitterkeit, die ihn selbst überraschte. Es störte ihn, dass die ganze Welt sein Verlangen nicht wahrzunehmen schien und zugleich ohrfeigte er sich innerlich für diesen Gedanken.
»Hey Jungs!«, sagte Amy, die gerade mit einem kleinen Audiorekorder in der einen Hand und einer 35mm-Kamera in der anderen hereingerauscht kam. »Haben wir was erwischt?«
»Noch nicht.« Andre zog Amy mitsamt ihrer Ausrüstung auf seinen Schoß und gab ihr einen Kuss. »Wie sieht's bei euch aus?«
Bo und Amy hatten den Morgen damit verbracht, das Obergeschoss mit Fotoapparaten und mobilen Audiogeräten abzusuchen, während sich David und Cecile wieder um die Außengebäude gekümmert hatten.
Amy zuckte mit den Schultern. »Wer weiß? Wir müssen uns die Bänder erst noch anhören und die Filme entwickeln.«
Sam spürte, wie Bo den Raum betrat, und die feinen Härchen auf seinen Unterarmen richteten sich auf. Er beobachtete ihn aus dem Augenwinkel und wusste nicht, ob er sich freuen oder Angst bekommen sollte, als er dabei Bos Blick begegnete. Dieser drehte sich hastig mit leicht geröteten Wangen weg.
»Na, wie läuft es?« Bo gab Andre einen Klaps auf den Rücken und mied bewusst den Augenkontakt zu Sam.
»Seid ihr gut vorangekommen?«
»Wir sind gerade mit der Scheune und dem Waschhaus fertig geworden«, antwortete Andre. »Nicht ein einziger Hinweis bisher.«
»Okay. Lasst uns erst mal Mittagspause machen, dann verteilen wir die Aufgaben neu.«
»Ist was passiert, als ihr im Kinderzimmer wart?«, fragte Sam. Innerlich
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