Sehnsucht
hatte. Er blinzelte und drehte sich um.
»Hi, David.«
David klopfte Sam auf den Rücken, während er zur Küche ging. »Du siehst beschissen aus, Sam.«
»Vielen Dank«, murmelte Sam und gähnte ausgiebig. »Hab nicht viel geschlafen.«
»Hey, David?«, sagte Cecile, die in diesem Moment hereinschneite. »Würdest du mir bitte einen Kaffee mitbringen?«
»Sicher.«
Amy und Andre schauten sich mit identischem Grinsen an. Sie schienen nicht im Geringsten überrascht darüber, dass David und Cecile plötzlich höflich miteinander umgingen.
Bo jedoch schaute genauso überrascht, wie Sam sich fühlte, obwohl er nichts dazu sagte. »Holt euch Frühstück und dann treffen wir uns in einer halben Stunde in der Bibliothek und fangen an.«
»Was steht heute auf dem Programm?« David kam mit zwei Kaffeetassen aus der Küche zurück. Er setzte sich neben Cecile und reichte ihr eine. »Nur Videobänder anschauen?«
»Mehr oder weniger, ja«, sagte Bo. »Wir teilen uns wieder in Gruppen auf und wechseln uns dabei ab, die Videoaufnahmen von gestern und vom Kinderzimmer letzte Nacht durchzusehen.«
Sam schaute just in dem Moment auf, als Bo sich abwesend auf die Unterlippe biss. Die unbewusste Sinnlichkeit der Geste ließ Hitze in Sams Lenden schießen.
»Ich möchte erst sehen, ob wir was auf den Bändern finden, bevor wir entscheiden, was wir als nächstes tun. Die könnten uns einen Hinweis geben, worauf wir uns konzentrieren sollten.«
»Bo?« Cecile hörte sich ungewohnt zögerlich an. »Wäre es in Ordnung, wenn ich beim Auswerten der Videobänder helfe? David könnte mir zeigen, was ich tun muss.«
Bos Augenbrauen wanderten nach oben. »Das wäre sehr hilfreich. Je mehr, desto besser.«
Andre stand auf und leerte seine Kaffeetasse. »Ich geh schon mal vor und baue alles auf.«
»Ich helfe dir, Schatz.« Amy stemmte sich hoch. »Bis später.«
Sam sah ihnen nach, wie sie Hand in Hand den Raum verließen und fühlte einen unerwarteten, eifersüchtigen Stich. Das, was Amy und Andre miteinander teilten, hatte er noch nie gehabt. Er hatte noch nie so viel für jemand empfunden.
Bislang hatte er sich nie Gedanken darum gemacht und er war sich nicht ganz sicher, warum er jetzt damit anfing. Aber er spürte zum ersten Mal in seinem Leben eine schmerzhafte Leere in seinem Innern. Er hätte nie gedacht, dass er einmal eine so heftige Sehnsucht danach verspüren könnte – nach echter Vertrautheit zu einem anderen Menschen. Er weigerte sich allerdings, allzu ausführlich über den Grund für seinen Sinneswandel nachzudenken.
»Okay«, sagte Bo. »Ich sollte duschen gehen… Bin gleich wieder da.«
Als Bo an ihm vorbeiging, nahm Sam den leichten Geruch von Schweiß und Hitze wahr, der ihn innerhalb eines Atemzuges erregte. Die Vorstellung von Bo unter der Dusche brachte ihn da auch nicht gerade runter.
Bo nackt und nass, Schaum auf seiner Haut… Hände, die langsam in Kreisen über seine Brust glitten… über seinen Bauch, zwischen die Beine, eine Hand, die sich um seine Hoden schloss, während die andere seinen harten Schwanz streichelte…
Sam rutschte vom Tisch zurück, stand auf und verließ den Raum. Die verwunderten Blicke, die David und Cecile ihm zuwarfen, ignorierte er geflissentlich. Er holte Bo oben an der Treppe ein, packte ihn an der Schulter und wirbelte ihn herum.
»Wir müssen reden«, sagte er bemüht ruhig.
Bo schaute ihn nicht einmal an. »Da gibt es nichts zu bereden.«
»Nichts? Wie zur Hölle kannst du das sagen?«
»Hör zu, ich werde niemandem erzählen, dass du schwul bist… wenn es das ist, was dich beunruhigt…«
Sam starrte ihn ungläubig an. » Ich?! Wie wäre es, wenn du ihnen erzählst, dass du schwul bist? Oder vielleicht solltest du es dir zuerst mal selbst beibringen.«
Für eine Sekunde wich jegliche Farbe aus Bos Gesicht, dann lief er rot an. Seine Hand umklammerte Sams Oberarm mit stahlhartem Griff.
»Ich bin nicht schwul«, knurrte er mit blitzenden Augen. »Ich habe eine Frau. Und Kinder , verdammt noch mal!«
»Und? Du wärst nicht der erste, der sich was vormacht.« Sams Stimme wurde zu einem heiseren Flüstern. »Du hattest deine Hand auf meinem Oberschenkel, Bo. Du hast dich küssen lassen. Und du hast den Kuss erwidert.«
»Ich… ich hatte zu viel Wein. Es war ein Fehler.« Das Zittern in Bos Stimme widersprach seinen Worten. »Ich bin nicht schwul, Sam. Ich bin es nicht.«
Sam schaute ihn an, in die ängstlich geweiteten Augen, die rastlos hin und her
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