Sehnsucht
gemeinsam am Tisch zu sitzen und so zu tun, als wäre alles in bester Ordnung.
Als er das Band schließlich um halb zwölf beendete, war Sam erschöpft. Er nahm es aus dem Rekorder, schrieb gesichtet auf den Aufkleber und schaltete die Geräte aus.
»Hey.« Er tippte David leicht auf die Schulter. »Bist du fertig?«
David nickte und nahm die Kopfhörer ab. »Jap, hab nichts gefunden. Wie sieht's bei dir aus?«
»Auch nichts.« Sam gähnte und rieb sich die Augen. »Ich bin so verdammt müde.«
»Dito…« David stand auf und legte ihre beiden Bänder auf den gesichtet -Stapel. »Lass uns ins Bett gehen. Ich will grad nur noch schlafen.«
Sie trotteten wortlos in den ersten Stock, wo sich am obersten Treppenabsatz ihre Wege trennten. Sam schlurfte ins Badezimmer und gähnte dabei so ausgiebig, dass seine Augen zu tränen anfingen. Er putzte sich die Zähne und stolperte dann über den Gang in Richtung seines Schlafzimmers.
Bo saß auf seinem Bett. Sam brauchte einige Sekunden, um zu realisieren, dass das keine Einbildung war.
»Bo?« Sam lehnte sich gegen den Türrahmen. Er war zu müde, um sich noch aufrecht zu halten. »Was machst du hier?«
Bo stand langsam auf und spielte nervös mit dem Saum seines T-Shirts. »Ich wollte mich entschuldigen. Für letzte Nacht und heute Morgen.«
»Du musst dich nicht –«
»Doch, muss ich.« Bo steckte die Hände in seine hinteren Hosentaschen und ging zwei Schritte auf Sam zu. »Ich hätte es gestern Nacht nicht so weit kommen lassen dürfen. Und ich hätte dich heute Morgen nicht ignorieren sollen. Du hattest vollkommen recht. Wir müssen reden.«
Sam stieß sich vom Türrahmen ab. Plötzlich war er hellwach und er wollte Antworten. »Okay. Dann rede.«
Er ging einen Schritt auf Bo zu und beobachtete, wie Bos Blick über seinen Körper wanderte. »Wieso hast du zugelassen, dass ich dich küsse? Ich weiß, dass du verheiratet bist. Du behauptest, du wärst hetero. Also, warum?«
»Ich… ich war…« Bos Zunge fuhr über seine Oberlippe, als Sam sich ihm näherte. »Ich weiß es nicht.«
Die Mischung aus Angst und Verlangen in Bos Augen ließ Sam wagemutig werden. Er umfasste eine von Bos seidigen, schwarzen Haarsträhnen und ließ sie zwischen seinen Fingern hindurchgleiten. Bo sog scharf die Luft ein und machte einen Schritt zurück.
»Du wolltest, dass ich dich küsse.« Sam ließ seine Hand sinken. »Nicht wahr?«
Bo sah ihn nicht an. »Vielleicht.«
Sams Lachen klang hart und kein bisschen amüsiert. »Vielleicht, schon klar.«
Bo gab ein ungeduldiges Geräusch von sich. »Komm schon, Sam. Sei nicht so.«
»Wie denn?« Sam schob sich an Bo vorbei, zog sein T-Shirt über den Kopf und warf es auf den Boden. Er konnte Bos Blick förmlich auf seiner Haut spüren.
»Weißt du, Bo… Es ist ziemlich offensichtlich, dass du Probleme hast. Das geht mich nichts an. Da musst du selbst durch, ohne meine Hilfe.« Sam drehte sich um und sah Bo an. »Aber bis du zugegeben hast, dass du auf mich stehst, haben wir nichts weiter zu bereden.«
Bos Gesichtsausdruck verhärtete sich.
»Und was ist mit dir, hm? Ich bin nicht derjenige, der den ersten Schritt gemacht hat. Nur für den Fall, dass du das vergessen haben solltest.«
»Hättest du aber genauso gut sein können. Du hattest die Hand auf meinem Oberschenkel.«
»Du hast mich geküsst, nicht andersherum!«
»Ja, das hab ich.« Sam setzte sich breitbeinig aufs Bett, lehnte sich zurück und stütze sich auf seinen Händen ab. »Weil ich dich will. Ich kann's zugeben, warum kannst du das nicht?«
Bo verschränkte die Arme. »Du bist schwul. Von mir aus. Ich bin es nicht. Und es ist egal, ob du es glaubst oder nicht.« Er sprach weiter, bevor Sam etwas erwidern konnte. »Und es spielt auch keine Rolle, ob ich es auch will. Ich bin verheiratet. Ich hab Familie. Zwischen uns kann es nie etwas geben, Sam. Gar nichts. Das musst du verstehen…«
Sam sah Bos gerötete Wangen und die weit aufgerissenen Augen und wünschte, er könnte dagegen argumentieren. Er wollte Bo aufs Bett werfen und ihm zeigen, wie gut es wirklich sein könnte. Aber er wusste, dass es unmöglich war. Egal, was er wollte, egal, was Bo wollte, es würde nicht passieren.
Sam seufzte. »Ich weiß. Ich kann zwar nicht so tun, als wäre ich nicht enttäuscht, aber ich hab verstanden. Aber, warum kannst du nicht wenigstens eingestehen, dass du mich auch willst? Es wird diesen Raum nicht verlassen, ich versprech's.«
Bo blickte zur Seite und fuhr
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