Sehnsucht
zu bemerken, wie sich Bos volle Lippen beim Essen bewegten.
»Was ist es dann?«, fragte Amy ungeduldig.
Sam zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht. Aber was immer es auch ist, es ist auf jeden Fall lebendig.«
Bo stützte seine Ellbogen auf den Tisch und fixierte Sam durchdringend. »Woher weißt du das?«
»Es war in mir. Ich konnte spüren, wie es sich in mir bewegt hat. Ich konnte fühlen, wie sein Bewusstsein gearbeitet hat.« Sam hielt inne und suchte nach den passenden Worten. »Es mag zwar nicht auf die Art lebendig sein, wie wir es sind. Aber es ist definitiv keine menschliche Präsenz. Ich kann's nicht erklären… ich weiß es einfach.«
»Ich glaub, er hat recht«, sagte Andre. »Ich weiß, ich habe nicht die gleiche Erfahrung gemacht wie Sam. Aber was ich an dem Tag gespürt habe, war mit keinem Wesen oder Geist zu vergleichen, mit dem ich jemals vorher zu tun hatte. Es war etwas komplett… anderes .«
Bo tippte sich mit dem Karottenstreifen gegen das Kinn.
»Hm… Ich habe keine Ahnung, wie es sich hierbei um ein lebendes Wesen handeln könnte. Aber wenn du dir sicher bist, sollten wir das untersuchen.«
»Ich habe mich bei einigen der Foren angemeldet, die wir uns gestern angesehen haben«, meinte Cecile. »Ich versuche morgen mal in Erfahrung zu bringen, was die anderen Mitglieder darüber denken. Vielleicht hatten ein paar von ihnen das gleiche Gefühl wie Sam.«
Sam ließ seine Gedanken schweifen, während der Rest der Gruppe die Pläne für den nächsten Trip nach Gautier diskutierte. Er hatte nicht vor, sie zu begleiten, auch wenn sie ihn gefragt hätten, was nicht der Fall war. Einem Teil von ihm gefiel der Gedanke gut, das Haus für sich zu haben, auch wenn es zugleich beängstigend war. Er hatte so ein Gefühl, dass sich seine seltsame Verbindung zum Haus in voller Deutlichkeit zeigen würde, wenn die Anderen nicht da waren, um ihn abzulenken. Und dann? Er wusste es nicht. Und dieser Gedanke war ebenso aufregend wie erschreckend.
»Erde an Sam.«
Sam blinzelte und grinste Andre verlegen an. »Entschuldige, ich hab nachgedacht. Was hast du gesagt?«
Andre grinste zurück. »Wir haben gedacht, dass ein bisschen Erholung nach all der Aufregung der letzten paar Tage ganz nett wäre. Wir nehmen Chips und Bier mit auf die Terrasse im Obergeschoss und entspannen ein bisschen. Kommst du mit?«
»Klar, klingt super.« Sam steckte sich das letzte Stück Sandwich in den Mund, kaute und schluckte. »Komm, wir tragen das Bier.«
Bo lachte. »Ich nehme die Chips und die Salsa. David, du kannst ein paar Servietten und Teller mitnehmen.«
»Kein Problem, Boss.« David sprang auf die Füße, küsste Cecile aufs Haar und ging in die Küche.
»Großartig.« Amy stand auf und streckte sich. »Cecile, die Jungs scheinen das alleine hinzukriegen. Was hältst du davon, wenn wir schon mal nach oben gehen und die Füße hochlegen?«
Cecile strahlte sie an, als wäre Amys Freundschaft alles, was ihr zur vollen Integration in die Gruppe gefehlt hatte.
Vielleicht war es auch so , dachte Sam mit einem Anflug von Mitleid.
»Das wäre toll.« Cecile erhob sich und folgte Amy in Richtung Tür. »Wir sehen uns dann oben, Jungs.«
Sam winkte, als die beiden Frauen den Raum verließen. Er sah zu Bo hinüber und ihre Blicke trafen sich. Bo lächelte und sah dann schnell weg, während sich seine Wangen rosig färbten.
Sam wusste genau, an was er gerade dachte – die Nacht im Salon, als Sam ihn geküsst hatte. Die dunklen Augen spiegelten dieselbe Mischung von Furcht und Verlangen wider, die auch in Sams Magen ein ziehendes Gefühl hervorrief.
Es wird nicht noch mal passieren , versprach sich Sam, als Bo wortlos in die Küche ging. Er fragte sich, wie lange er dieses Versprechen wohl halten konnte.
***
Zwei Stunden später saß Sam mit einem kühlen Bier in der Hand in einem Schaukelstuhl und hatte seine Beine auf dem Terrassengeländer abgelegt. Er musste zugeben, dass ein entspannter Abend eine gute Idee gewesen war.
Seine Angst davor, Bo zu nahe zu sein, hatte sich in der gelösten Atmosphäre schnell verflüchtigt. Sie unterhielten sich miteinander, fast wie sie es in der ersten Nacht getan hatten. Vor dem Kuss, der alles durcheinander gebracht hatte. Es fühlte sich wundervoll an, dass die Unterhaltung wieder so leicht zwischen ihnen floss.
Als die Paare sich anschickten, die Veranda zu verlassen und Bo neben ihm sitzen blieb, kehrte Sams Nervosität allerdings schlagartig zurück. Er wusste
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