Sehnsucht
nicht, ob er mit Bo allein sein konnte.
Obwohl es ungewöhnlich still war – die Grillen zirpten nur gedämpft und die Ochsenfrösche waren gänzlich abwesend –, verlieh der Vollmond und die nach Geißblatt duftende Brise der Nacht eine kaum zu ertragende Romantik.
Amy und Andre verließen die Terrasse gegen zehn Uhr Hand in Hand. Amy warf Bo einen frustrierten Blick über die Schulter zu. Sam sah Bo verstohlen an. Das Mondlichte tauchte sein Profil in silbernes Licht und warf einen sinnlichen Schatten unter seine Unterlippe.
Sam konnte sich kaum davon abhalten, den Mann zu berühren. Es juckte ihn in den Fingern, diese in Bos seidigem Haar zu vergraben.
»Du denkst an die Nacht letztens«, brach Bo das Schweigen, ohne sich ihm zuzuwenden. »Nicht wahr?«
Sam sah keinen Sinn darin, zu lügen. »Ja.«
»Ich auch.«
Stille. Sie starrten beide auf die Rasenfläche des Vorgartens. Sam fragte sich, ob die Schatten wirklich tiefer waren als sonst oder ob er sich das nur einbildete.
»Es war schön«, sagte Bo sanft. »Alles, meine ich. Mit dir zu reden. Und als du… als du mich geküsst hast.«
»Ich dachte, du bist hetero.« Sam konnte die Bitterkeit nicht aus seiner Stimme vertreiben. »Wie konntest du den Kuss genießen, wenn du hetero bist?«
Bo drehte sich zu ihm um und schaute ihm direkt in die Augen. »Ich weiß es nicht. Aber es war so. Es tut mir leid, dass ich dir das nicht schon eher gesagt habe.«
Sam entfuhr ein humorloses Lachen. »Hör auf, mich wie ein Kind zu behandeln, Bo. Ich bin schon ein großer Junge. Ich bin durchaus schon abgeblitzt. Du musst es mir nicht schonend beibringen.«
Er erwartete, dass Bo wütend wurde. Vielleicht wollte er sogar, dass er wütend wurde. Aber Bo saß einfach nur da und sah ihn traurig an.
»Du wolltest, dass ich zugebe, dass ich mich zu dir hingezogen fühle. Nun, vielleicht tue ich das auf eine Art. Vielleicht ist das der Grund, warum es sich so gut angefühlt hat, als du mich geküsst hast.« Bo seufzte und strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr. »Vielleicht war ich deshalb die letzten Tage so durcheinander.«
Sam sah auf seine Fingernägel hinunter. »Es ändert aber nichts, oder?«
»Nein. Wenn du eine Frau wärst, würde ich immer noch Nein sagen, weil ich das Janine nicht antun könnte. Aber ich wollte, dass du es weißt. Ich dachte, dass ich dir das schuldig bin.«
Bo legte eine Hand auf Sams Arm. »Gute Nacht, Sam. Wir sehen uns morgen.«
Sam murmelte etwas Undefinierbares als Antwort. Die Stelle, an der Bo ihn berührt hatte, kribbelte heiß. Die Wärme von Bos Handfläche hatte sich in seine Haut gebrannt. Es überraschte ihn, dass er auf seinem Arm keine glühende Stelle in Form eines Handabdrucks vorfand.
Er beobachtete Bo aus dem Augenwinkel heraus, bis er aus seinem Sichtfeld verschwunden war, dann stand er auf und ging ans Ende der Terrasse, zu der kleinen Nische außerhalb seines Schlafzimmers.
Er war nicht sicher, wie lange er dort saß, in die Nacht hinaus sah und seine Gedanken ins Ungewisse treiben ließ. Er verschwendete keinen Gedanken ans Schlafen. Er war nicht müde und er freute sich nicht gerade auf die unvermeidbaren Träume.
Als seine Gedanken begannen, sich auf gefährliches Terrain zu verirren, in sexuellen Fantasien mit einem bestimmten schwarzhaarigen Doktor in der Hauptrolle abzudriften, versuchte er, sie gezielt umzulenken. Den Fall, den kommenden Umzug in sein neues Appartement, den Ursprung der Zeit. Alles, was nicht Bos nackten Körper zwischen seinen eigenen Schenkeln beinhaltete.
Es funktionierte nicht. Jeder Gedankengang führte zurück zu Bo. Schließlich gab er auf. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und öffnete den Reißverschluss seiner Jeans. Dann schloss er die Augen und ließ sich von seinem verbotenen Verlangen übermannen.
Er stellte sich vor, wie Bo über den Rasen hinter dem Haus auf ihn zuging. Sie trafen sich auf dem großen Platz zwischen dem Schuppen und dem Waschhaus. Bo fand den Weg in seine Arme und stöhnte auf, als Sams Mund seinen bedeckte.
Sam leckte sich über die trockenen Lippen, während er sich schneller streichelte. Beinahe konnte er Bos Hunger nach ihm auf seiner Zunge schmecken.
Gott, Sam… , keuchte Bo in seiner Vorstellung. Ich will dich so sehr. Schlaf mit mir!
Sam sah sich lächeln, seine grauen Augen leuchteten glücklich. Er nahm Bos Hand und führte ihn in den Schatten der Scheune.
Sie zogen sich gegenseitig aus und ließen sich im kühlen Gras nieder.
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