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Sehnsucht der Unschuldigen

Sehnsucht der Unschuldigen

Titel: Sehnsucht der Unschuldigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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ernst.
    »Burke?«
    »Ich habe jetzt keine Zeit, Josie.« Er wußte, daß er sie eigentlich zum Gehen auffordern müßte, aber ihm war klar, daß Caroline weibliche Gesellschaft heute dringend nötig hatte. So sagte er nur: »Bitte warte. Kannst du ein bißchen bei ihr bleiben, wenn ich weg bin?«
    Die Hand auf seinem Arm fing an zu zittern. »Wie schlimm ist es?«
    »Schlimmer geht’s nicht. Geh doch in die Küche und mach uns irgendwas Kaltes zum Trinken. Ich rufe dich dann.«
    Caroline führte ihn in den Salon, wo er sich auf die gestreifte Couch setzte. Die kleine Kuckucksuhr, die sie seit dem Tag ihrer Ankunft täglich aufzog, tickte fröhlich vor sich hin. Sie konnte ihren eigenen Schweiß riechen und die Möbelpolitur, mit der sie den Kaffeetisch erst an diesem Morgen behandelt hatte.
    »Miss Waverly. Es tut mir unendlich leid, daß ich Sie gerade jetzt mit meinen Fragen belästigen muß, aber ich halte es für das Beste, wir bringen es schnell hinter uns.«
    »Ich verstehe.« Nichts hatte sie verstanden, sagte sie sich.
    Wie konnte sie auch, hatte sie doch nie zuvor eine Leiche entdeckt. »Wissen Sie… wissen Sie, wer es ist?«
    »Ja, Ma’am.«
    »Und ihr Deputy… Johnson?« Unbewußt rieb sie sich die Kehle, als würden ihr die Worte steckenbleiben. »Er sagt, sie sei nicht ertrunken.«
    »Nein, Ma’am.« Burke zog einen Notizblock und einen Stift aus der Tasche. »Es tut mir leid, aber ich muß Ihnen mitteilen, daß sie ermordet wurde.«
    Caroline nickte stumm. Einen Schock bedeutete das nicht mehr. Ein Teil von ihr hatte es gewußt, seit sie in die aufgerissenen leblosen Augen geschaut hatte. »Was soll ich jetzt tun?«
    »Erzählen Sie mir bitte alles, was Ihnen in den letzten achtundvierzig Stunden aufgefallen ist.«
    »Aber da war ja gar nichts los. Ich bin doch erst angekommen und versuche, mich hier einzuleben… und bin in einem einzigen Putzen.«
    »Ich verstehe.« Er schob den Hut zurück und wischte sich mit dem Unterarm den Schweiß von der Stirn. »Aber denken Sie doch noch einmal nach. Haben Sie vielleicht einen Wagen auf Ihrem Grundstück gehört oder sonst etwas Ungewöhnliches bemerkt?«
    »Nein… Das heißt, ich bin ja nur die Geräusche aus der Großstadt gewohnt, und darum kam mir eigentlich alles ungewöhnlich vor. Die Stille hier draußen wirkt so entsetzlich laut, wenn Sie verstehen, was ich meine. Und dann die Vögel und die Insekten. Die Eulen.« Sie hielt inne. Das letzte bißchen Farbe wich aus ihrem Gesicht. »Neulich… das war gleich in der ersten Nacht – da habe ich… o Gott…«
    »Lassen Sie sich ruhig Zeit, Ma’am.«
    »Erst dachte ich, eine Frau würde kreischen. Ich hatte schon geschlafen, und der Lärm hat mich geweckt. Ich bekam schreckliche Angst. Dann fiel mir wieder ein, wo ich war, und daß es ja diese Eulen gibt – Schreiende Eule werden Sie bei Ihnen, glaube ich, genannt.« Schuldgefühle schwappten in ihr hoch. Caroline schloß die Augen. »Ich bin gleich wieder eingeschlafen. Vielleicht war es auch diese Frau. Dann hat sie um Hilfe gerufen – und ich habe mich einfach umgedreht!«
    »Vielleicht war es auch wirklich eine Eule. Und selbst wenn, Miss Waverly, niemand hätte ihr mehr helfen können. Können Sie mir die Uhrzeit sagen, wann Sie aufgewacht sind?«
    »Nein, es tut mir leid. Ich habe nicht auf die Uhr gesehen.«
    »Gehen Sie oft zu diesem Teich?«
    »Zweimal bis jetzt. Mein Großvater ist früher dort mit mir angeln gegangen.«
    »Ich habe dort auch schon einige dicke Welse gefangen«, erwiderte Burke in seinem jovialsten Ton. »Rauchen Sie?«
    »Nein. Aber lassen Sie sich deshalb nicht stören.«
    Burke zündete sich zerstreut eine Zigarette an. In Gedanken war er bei dem Stummel, den er neben dem Baumstamm gefunden hatte. Edda Lou war Nichtraucherin gewesen. »Also, niemand hat sich auf Ihrem Grundstück zu schaffen gemacht?
    Und besucht hat Sie auch noch niemand?«
    »Wie gesagt, ich bin ja erst angekommen. Aber jetzt fällt’s mir wieder ein. Am ersten Tag ist mir jemand über den Weg gelaufen. Er hat behauptet, meine Großmutter hätte ihm erlaubt, sich an den Teich zu setzen.«
    Burkes Miene verriet keine Regung, doch sein Herz setzte einen Schlag aus. »Wissen Sie den Namen?«
    »Er nannte sich Longstreet. Tucker Longstreet.«
    Tucker lag in seiner Hängematte, drückte sich ein kaltes Bierglas auf das geschwollene Auge und litt vor sich hin. Sein Körper fühlte sich nicht mehr an, als wäre eine Herde Pferde darüber

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