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Sehnsucht der Unschuldigen

Sehnsucht der Unschuldigen

Titel: Sehnsucht der Unschuldigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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und über seinen Vater wurde in der ganzen Stadt getuschelt.
    Andererseits war er froh, wenn die Haustür hinter ihm zufiel und er seine Mutter nicht sehen mußte, die, seit sie diese komischen Pillen schluckte, den ganzen Tag mit glasigen Augen auf dem Sofa lag.
    Und er rannte auch nicht einfach weg von daheim und den Polizisten, die in ihrem Einsatzwagen vor dem Haus auf die mögliche Rückkehr seines Vaters warteten, sondern er ging zur Arbeit. Was hieß ›ging‹?
Er fuhr!
    Fröhlich pfeifend trat er gegen eine Blechdose. Was störte ihn die Fahrt von zehn Meilen? Begann doch heute die Befreiung des Cy Hatinger. Bis zu seinem achtzehnten Geburtstag wollte er das nötige Geld zusammengespart haben, und dann hatte Innocence ihn die längste Zeit gesehen.
    Bis dahin lagen allerdings noch vier schier endlose Jahre vor ihm. Die Hoffnung konnten sie ihm freilich nicht rauben, denn jetzt war er ein Mann für alle Gelegenheiten.
    Der Titel gefiel ihm. Vielleicht sollte er sich eine Visitenkarte drucken lassen. Auf ihr würde dann stehen:
    Cyrus Hatinger
    Mann für alle Gelegenheiten
    Keine Arbeit ist mir zu schwer, keine zu leicht.
    Jawohl, er ging seinen Weg. Und mit achtzehn konnte er sich die Fahrkarte nach Jackson, vielleicht sogar nach New Orleans, leisten. Ach was! Ein richtiger Mann ging nach Kalifornien.
    Das Lied ›California, Here I Come‹, auf den Lippen, folgte er dem Bett des zu dieser Jahreszeit ausgetrockneten Bachs bis zum Bachdurchlaß. Der war seine und Jims geheime Höhle.
    Gemeinsam hatten sie ihre Namen in die Gewölbemauer geritzt.
    Und unlängst hatten sie sich dort die Fotos aus den Playboynummern seines Bruders A. J. angesehen. War das aufregend gewesen! Bis dahin hatte er noch nie eine nackte Frau gesehen. Sein Pimmel war steinhart geworden. In der Nacht danach hatte ihm das Werkzeug des Teufels seinen ersten feuchten Traum beschert. Seine Mutter hatte nicht schlecht gestaunt, als er am nächsten Morgen unbedingt selbst hatte waschen wollen.
    Grinsend kletterte er die Böschung hinunter und verschwand im Durchlaß.
    Eine Hand schoß aus der Dunkelheit auf ihn zu und drückte ihm den Mund zu. Er versuchte erst gar nicht, sich zu wehren, denn diese Hand, diese Form, ja selbst ihr Geruch, waren ihm wohlvertraut. Seine Angst war zu tief in ihm verwurzelt, als daß er zu schreien gewagt hätte.
    »Ich habe dein kleines Schlupfloch gefunden«, flüsterte Austin. »Die Lasterhöhle, wo ihr euch vergeht, du und dein Nigger. Habt ihr euch da vielleicht einen runtergeholt?«
    Cy schüttelte stumm den Kopf. Und er gab nur ein unterdrücktes Stöhnen von sich, als Austin ihn gegen das Gemäuer stieß. Daheim schnallte sein Vater in solchen Momenten immer den Gürtel auf, aber noch im Fallen sah Cy, daß er diesmal keinen trug. Sie mußten ihn ihm im Gefängnis abgenommen haben.
    Er schluckte. Sein Vater mußte sich zwar bücken, weil er viel zu groß für das Gewölbe war, aber das machte ihn keineswegs kleiner. Im Gegenteil – er wirkte noch viel größer, bedrohlicher.
    Mit gespreizten Beinen und vor Schmutz starrenden Händen und Gesicht baute er sich vor ihm auf.
    Cy schluckte laut. »Sie suchen dich, Daddy.«
    »Ich weiß, daß sie mich suchen. Aber gefunden haben sie mich nicht, oder?«
    »N… nein.«
    »Soll ich dir auch den Grund verraten? Gott ist auf meiner Seite. Die gottlosen Dreckschweine finden mich im ganzen Leben nicht! Ich führe nämlich einen heiligen Krieg.« Auf seinen Lippen flackerte ein gespenstisches Lächeln. »Ins Gefängnis haben sie mich gesteckt, aber den Hurenmörder haben sie laufen lassen. Eine Hure war sie. Die Hure von Babylon. Mein Fleisch und Blut hat sich an so einen verkauft.«
    Cy begriff nicht, wovon er redete, aber er nickte. »Jawohl, Vater.«
    »Sie werden ihrer gerechten Strafe zugeführt. Und zwar alle.
    Bis in die letzte Generation.« Mit einem bohrenden Blick musterte er seinen Sohn. »Woher hast du das Fahrrad da, Kerl?«
    Cy wollte schon behaupten, es gehöre Jim, aber da sein Vater ihn weiter anstierte, fürchtete er, die Zunge würde ihm abfallen, wenn er log. Er zitterte an allen Gliedern.
    »Es ist mir geliehen worden. Ich habe jetzt einen Job… auf Sweetwater.«
    Austins Augen verhüllten sich. Seine groben, dicht behaarten Pranken ballten sich, öffneten sich, ballten sich. »Was? In dieses Schlangennest bist du gegangen?«
    Mehr noch als den Gürtel fürchtete Cy diese Hände. Tränen schössen ihm in die Augen. »Ich gehe bestimmt nicht mehr

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