Sehnsucht erwacht auf Mallorca
sechsjährigen Jungen behandeln zu können wie ein Tier.“
„Und Sie haben nie versucht zu verstehen, wie schwer die Situation für mich ist.“
„Oh, verzeihen Sie“, sagte sie sarkastisch. „Aber Sie stehen bei mir wahrlich nicht an erster Stelle.“
„Aber Miguel tut es ebenso wenig. Ihnen geht es doch nur darum, das Schlechteste von mir zu denken!“
„Ich würde von jedem Mann schlecht denken, der sich sechs Jahre lang vor der Verantwortung für sein Kind drückt.“
„Sie haben keine Ahnung, was vor sieben Jahren zwischen Joanna und mir vorgefallen ist.“
„Ich weiß genug“, versicherte sie ihm. „Immerhin hat sie Ihnen so wenig vertraut, dass sie Ihnen nichts von dem Kind erzählt hat.“
Seine Brust hob und senkte sich hastig, als er versuchte, seine Gefühle unter Kontrolle zu halten. Er sagte sich, dass sie nur Vermutungen äußerte, da sie die Fakten nicht kannte. Sie verurteilte ihn aufgrund ihrer Einbildung und nicht aufgrund dessen, was vor sieben Jahren wirklich geschah.
Doch es gelang ihm nicht, seine Wut zu bezähmen. „Ich rate Ihnen, nicht über die Dinge zu urteilen, von denen Sie nichts verstehen“, sagte er.
„Ich verstehe Sie nur zu gut“, erklärte Brynne mit blitzenden Augen. „Sie sind kalt. Sie sind zurückhaltend. Und Ihre besserwisserische Arroganz ist einfach unerträglich.“
Unentschlossen sah er sie mehrere Sekunden lang an, während er hin und her schwankte, ob er sich ein weiteres Wortgefecht mit ihr liefern oder sie in seine Arme reißen und sie küssen sollte, bis sie den Verstand verlor.
Der letzte Impuls war stärker.
Er packte sie und zog ihren schmalen Körper an sich. Er spürte die zarte Haut, als er sie umarmte und ihre sinnlichen Lippen küsste.
Der Kuss kam so unerwartet und war so leidenschaftlich, dass Brynne gar nichts anderes übrig blieb, als ihn zu erwidern. Es war, als würde sie sich in Alejandro verlieren. Jeder Teil ihres Körpers schien mit seinem zu verschmelzen …
Doch in diesem Augenblick stieß er sie von sich, drehte sich um und vergewisserte sich, dass Michael nichts gesehen hatte.
„Ich muss gehen“, murmelte er schließlich entschlossen, ehe er auf dem Absatz kehrtmachte und zur Villa ging. Sein Rücken und die Schultern waren unnatürlich starr.
Brynne sah ihm nach. Sie war sich der Tatsache sehr wohl bewusst, dass sie sich nicht gegen den Kuss gesträubt hatte. Stattdessen spürte sie mit jeder Faser ihres Körpers das Bedauern darüber, dass er so schnell zu Ende gegangen war.
6. KAPITEL
Seit Stunden schon wälzte Brynne sich im Bett hin und her und versuchte, eine bequeme Position zu finden. Doch sie war zu unruhig, um Schlaf zu finden.
Den ganzen Nachmittag und Abend war sie schon von dieser Unruhe erfasst gewesen. Nach dem Kuss war sie so durcheinander, dass sie dankbar Marias Angebot angenommen hatte, Michael mit ins Dorf zum Einkaufen zu nehmen. Sie hatte am Pool gelegen und immer wieder darüber nachgedacht, wie sehr sie sich über Alejandro geärgert hatte, und wie rasch dieser Ärger in Erregung umgeschlagen war, als er sie küsste. Darüber war sie auf dem Liegestuhl eingeschlafen und erst eine Stunde später mit einem Sonnenbrand auf dem Rücken aufgewacht.
Ungeduldig kletterte Brynne aus dem Bett. Die Hitze lastete auch in den Nachtstunden noch schwer. Sie öffnete die Balkontüren und trat auf die Terrasse hinaus. Es war still; nur in weiter Ferne hörte sie die Glocke einer Ziege und das schnalzende Geräusch der Zikaden.
Die Insel war wirklich wunderschön. Überall wucherten Bougainvilleen in allen Farben im Überfluss. Winzige Dörfer bezauberten mit ihren schmalen Gassen und den Gerüchen, die aus den offenen Türen auf die Straßen wehten.
Doch in Alejandros Gegenwart konnte sie jedoch nichts davon genießen.
Was war nur zwischen ihnen geschehen? Brynne konnte es nicht einmal sagen. Zuerst hatte sie sich nur über ihn geärgert, doch später, als sie bereits im Bett lag, konnte sie sich eingestehen, dass die Leidenschaft ihres Kusses sie überwältigt hatte. Sie meinte erneut, seinen Körper zu spüren, seine Hitze, die breiten Schultern, seine Kraft …
Stopp!
Sie schloss die Augen, um die Erinnerung zu vertreiben. Es wäre äußerst dumm von ihr, sich Alejandros körperlicher Anziehungskraft hinzugeben.
Aber was mache ich, wenn ich die Kontrolle verliere?
Sie hörte das Geräusch eines näher kommenden Wagens und verschwand rasch in ihrem Zimmer. Sie wollte nicht, dass Alejandro sie
Weitere Kostenlose Bücher