Sehnsucht erwacht auf Mallorca
Alejandro quer über die Terrasse hinweg an. Ihr blieb fast die Luft weg, so schön sah er in dem schwarzen Abendanzug und dem schneeweißen Hemd aus. Vor dem Dinner hatte er noch rasch geduscht, und die dunklen Haare waren feucht.
Es wäre ihr lieber gewesen, wenn sie ihm beim Dinner keine Gesellschaft leisten müsste, aber wenn sie sich zurückzöge, würde er sie nur wieder einen Feigling nennen.
„Ja.“ Sie trat auf die Terrasse und ging auf ihn zu. Das elegante maßgeschneiderte Kleid reichte ihr bis über die Knie, und der kühle cremefarbene Stoff betonte die leichte Sonnenbräune, die sie in den letzten Tagen bekommen hatte.
Alejandro schenkte ihr ein Glas Weißwein ein, ehe er sie anschaute. „Haben sie sich gefreut, dass du so schnell wiederkommst?“
„Ich … Ich habe es ihnen nicht erzählt“, erklärte sie aufrichtig und setzte sich.
Es würde Monate, wenn nicht gar Jahre dauern, bis ihre Eltern über den Tod von Tom und Joanna hinwegkamen, doch eben am Telefon hatten sie sich schon viel lebhafter angehört. Ihr Vater erzählte, dass die Mutter keine Medikamente mehr bräuchte, und dass sie sogar daran dachte, wieder zur Arbeit zu gehen. Brynne freute sich so sehr darüber, dass sie vergaß, ihnen mitzuteilen, dass sie morgen nach Hause käme.
Zumindest redete sie sich ein, dass sie deshalb geschwiegen hatte.
In Wirklichkeit war sie gar nicht in der Lage, sich dem nahen Abschied zu stellen.
Nachdenklich musterte er sie. Sie sah so kühl und distanziert aus, die hochgesteckten Haare verstärkten den Eindruck der Zurückhaltung noch. Sie schien nichts mit der leidenschaftlichen Frau gemein zu haben, die er vor vier Tagen so überstürzt allein gelassen hatte.
Er setzte sich zu ihr an den Tisch. „Bedeutet das, dass du deine Meinung geändert hast?“
„Ich – nein“, sagte sie entschieden und nippte an ihrem Wein. „Ich weiß noch nicht, wie ich Michael die Sache erklären soll, und ich dachte … Ich wollte zuerst mit ihm darüber sprechen, ehe ich es meinen Eltern erzähle.“ Sie verzog das Gesicht zu einer Grimasse.
„Ich dachte, du könntest es gar nicht abwarten, von hier zu verschwinden.“
„Du bist doch derjenige, der froh und erleichtert ist, dass ich abreise!“
„Das bin ich nicht.“ Wenn er sich ärgerte, wurde sein Akzent stärker, und die Augen funkelten leidenschaftlich. „Brynne, du und ich haben doch miteinander geschlafen …“
„Was du eindeutig am liebsten wieder vergessen würdest, sonst wärst du nicht so überstürzt abgefahren!“, schnitt sie ihm das Wort ab. Ihre Wangen röteten sich.
„Aber ich habe es nicht vergessen!“ Er wandte ihr seine ganze Aufmerksamkeit zu. „Ebenso wenig wie du.“
Sie schloss kurz die Augen. „Ich … habe es doch versucht.“
„Aber es ist dir nicht gelungen. Es ist sehr wichtig …“ Er brach ab, als er hörte, dass sich ein Wagen der Villa näherte. Sein Gesicht verfinsterte sich, weil jemand es wagte, diese Unterhaltung zu stören.
Brynne hatte das Auto ebenfalls gehört. Und sie musste nicht zweimal überlegen, um zu erraten, um wen es sich bei dem Besuch handelte. Offensichtlich hatte Antonia Roig ihre eigenen Vorstellungen davon, wann sie Alejandro treffen wollte und wann nicht.
Sie wusste, dass sie richtig geraten hatte, als sie wenige Augenblicke später das Klappern der Absätze auf dem Weg hörte.
„Es sieht aus, als bekämst du noch Besuch.“ Alejandro murmelte leise etwas auf Spanisch, während er langsam aufstand. Sein Gesicht verriet, wie wütend er war.
„Ich verspreche dir, sie wird nicht lange bleiben“, sagte er, gerade als Antonia Roig in der Tür auftauchte. Maria stand mit gerunzelter Stirn hinter ihr.
Brynne erhob sich. „Ich gehe dann mal besser …“
„Du wirst genau da bleiben, wo du bist!“ Alejandros Hand auf ihrem Arm unterstrichen seine Worte, während er ohne zu lächeln hinüber zur schönen Antonia Roig schaute. „Was willst du hier, Antonia?“, fragte er kurz angebunden, als sie auf ihn zukam. Offensichtlich hatte sie die Absicht, ihn zur Begrüßung zu küssen.
Brynne verspürte ein leichtes Flattern in der Magengegend, als sie seinen kalten Tonfall hörte. Sie wusste, dass sie sich in eine Ecke verkriechen würde, wenn Alejandro jemals so mit ihr spräche.
Doch Antonia Roig schien das nicht im Mindesten abzuschrecken. Im vollen Bewusstsein ihrer eigenen Schönheit und Macht lächelte sie ihn herausfordernd an. Sie trug ein eng anliegendes rotes Kleid, das
Weitere Kostenlose Bücher