Sehnsucht FC Bayern
Zusammenarbeit mehr und mehr als eine Aneinanderreihung von Missverständnissen. Wer sich im Hinblick auf diese Personalentscheidung Sönke Wortmanns Film »Deutschland – ein Sommermärchen« angeschaut hat, konnte eigentlich nur zu dem Schluss gelangen, dass Klinsmanns Mannschaftsführung, ein Mix aus detailbesessenem, ganzheitlichem Konzept und kurzfristigen Motivationseffekten, für eine mehrjährige, nahezu tägliche Arbeit mit Spielern schlichtweg nicht ausreicht. Wer den Film sieht, dem wird klar, wer hier die sportliche Kompetenz mit eingebracht hat. Die jüngsten Erfolge der Nationalmannschaft bestätigen das.
Bekanntlich ist man später immer schlauer. Es hätte ja vielleicht auch tatsächlich gutgehen können. Irgendetwas Substanzielles wird Jürgen Klinsmann bei Erläuterung seiner Ideen für die Arbeit in München dem fachkundigen Vorstand auch vorzuweisen gehabt haben. Da bleibt einem als Fan nur ein gerütteltes Maß an Vertrauen in die Entscheidungskompetenz der Verantwortlichen. Immerhin engt das Anforderungsprofil mit Kriterien wie internationaler Reputation, nachweislich sportlichem Erfolg, Deutschkenntnissen und langjähriger Berufserfahrung den Kreis der Kandidaten für den Job eines Cheftrainers beim FC Bayern europaweit sehr stark ein. Bei der Konstellation muss man daher ganz offenbar auch mal etwas wagen.
Dennoch habe ich damals schon die Einrichtung einer Bibliothek mit Klassikern der Weltliteratur oder einem DJ-Mischpult im Mannschaftstrakt ebenso kopfschüttelnd quittiert wie die Anhäufung relativ fußballfremder Assistenten. Wer eine Mannschaft übernimmt, die kurz zuvor das Double gewonnen hat, macht sich mit Sprüchen wie »Ich will jeden Spieler jeden Tag ein bisschen besser machen« die Arbeit gewiss nicht leichter. Etwas mehr Demut vor der Herausforderung wäre angebracht gewesen.
Unabhängig davon glaube ich aber auch, dass er dem Verein mit seinen neuen Ansätzen gut getan hat. Und sei es »nur«, um festzustellen, dass sich so manches Altbewährte doch als die bessere Variante erweist. So mochte Klinsmann als Spieler keine Hotelübernachtungen vor Heimspielen und schuf sie als Trainer ab. Und was machten die Bayern-Spieler von heute? Sie wünschten sich das Mannschaftshotel zurück! Davon abgesehen: Stillstand bedeutet Rückschritt (fünf Euro fürs Phrasenschwein!). Schon deshalb begrüße ich den Versuch innovativer Ideen. Es gibt genügend Traditionsvereine, die nur noch von ihrer Vergangenheit zehren und den Anschluss erst einmal verpasst haben. Hatte ich in dem Zusammenhang nicht schon mal auf ein naheliegendes Beispiel aus der bayerischen Landeshauptstadt verwiesen?
Der Schwabe Jürgen Klinsmann wurde jedenfalls durch den Rheinländer Jupp Heynckes ersetzt. Ein Rheinländer? Da vergab ich innerlich persönliche Bonuspunkte. Nach der Heimniederlage gegen Schalke 04 dauerte es jedenfalls zunächst einmal ewig lange, bis sich Klinsmann im Presseclub des Stadioninneren schmallippig den Fragen der Journalisten stellte. Da setzte zuvor schon das Grummeln der Journaille hörbar ein. Einen Tag später hatte der Vorstand Fakten geschaffen.
Als Heynckes der Öffentlichkeit als neue Lösung präsentiert wurde, löste das bei mir den gleichen Effekt aus wie seinerzeit die Re-Inthronisierung von Udo Lattek 1983. Da ist er wieder! Man kennt sich und wird gemeinsam alt. So in etwa muss das sein, wenn ein 55-Jähriger sein mittlerweile zwölftes Rolling-Stones-Konzert besucht. Immerhin war Heynckes der fünfte Bayern-Trainer mit zweiter Amtszeit. Beim Anblick von Heynckes fühlte ich mich spontan um gefühlte 20 Jahre zurückversetzt. Und das war kein schlechtes Gefühl! Wenn er jetzt noch, wie einst 1989, das Training in seinem mintgrün-lila-weißem Ballonseide-Jogginganzug geleitet hätte, wäre er für mich unsterblich geworden und ich hätte mir zur Feier des Tages zeitgenössische Musik von »Milli Vanilli« aus dem Internet heruntergeladen.
Dazu kam es aber nicht. Mit 13 Punkten aus fünf Spielen brachte er jedenfalls die Bundesligasaison mit fast optimaler Ausbeute noch gut zu Ende. Wie einst Ottmar Hitzfeld im Jahre 2004 verschwand er jedoch nicht einfach nach dem letzten Spieltag, sondern begleitete die Mannschaft auch noch zu den Freundschaftsspielen nach Kaufbeuren und Eichstätt sowie ins holländische Sittard. Wenigstens von dort aus hatte er es mit 73 Kilometern schön nah für die letzte Heimfahrt nach Mönchengladbach. »Tschö, Jupp!« Diese drei Ziele peppten
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