Sehnsucht FC Bayern
Gegenteil umschlagen kann, verdeutlichte mir das Bundesliga-Auswärtsspiel in Bielefeld: Unüberdachter Stehplatz, strömender Regen, Minusgrade, eisiger Wind und kalte Bratwurst – ich war wieder angekommen in den achtziger Jahren!
Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2012
2008/09
Z EITENWENDE
Im Sommer 2008 nahmen zwei ganz Große sichtlich bewegt ihren Abschied vom FC Bayern. Ottmar Hitzfeld, der sich immer so reserviert und kontrolliert gab und selbst in der Stunde der bitteren Niederlage im Endspiel von Barcelona Würde gezeigt hatte, konnte diesmal seine Tränen nicht unterdrücken. Freunde, die seinerzeit nicht in Barcelona dabei waren, erzählten mir später, dass ihnen die souveräne Haltung von Hitzfeld in den Interviews direkt nach dem Spiel 1999 tatsächlich Trost gespendet hätte. Oliver Kahn folgte ihm. Ein Spieler, der polarisiert hat. Wer fand Oliver Kahn eigentlich richtig sympathisch? Was ihm entgegengebracht wurde, war Respekt. Und zwar sehr großer Respekt. Vielleicht ist er einer der letzten Protagonisten einer aussterbenden Spielergeneration, die eine so lange Zeit bei einem Proficlub verblieben ist – und das als Leistungsträger und Erfolgsgarant. Ich glaube, dass dies bei seinem Abschied allen bewusst war. Willy Sagnol, der letzte Haudegen, der in Mailand mein Barcelona-Trauma heilte, sollte ihm während der laufenden Saison noch folgen. Mit dem introvertierten Franzosen, der in der Presse wohl nur deshalb als Publikumsliebling galt, weil sich sein Vorname so herrlich langgezogen rufen ließ, hatte ich als einzigem Bayern-Bundesligaspieler den Geburtstag gemeinsam.
Mit Jürgen Klinsmann wehte in der Tat ein frischer Wind an der Säbener Straße. Seine Aktivitäten begannen bereits während der Amtszeit Hitzfelds. Mit seiner Anwesenheit hatte ich also noch nicht gerechnet, als ich – wie immer in Eile – morgens mit ihm im Treppenhaus beinahe zusammenstieß. Ich entschuldigte mich, er wünschte mir »Guten Morgen« und ließ mich einigermaßen verdutzt zurück. Wo kam der denn jetzt her? Müsste der nicht noch in Amerika sein? Und wieso ist der jetzt schon am frühen Morgen so fröhlich? Für mich, als Morgenmuffel, ein doppeltes Schockerlebnis.
Persönlich änderte sich mit seiner Amtszeit natürlich nicht so viel für mich, wenn man mal davon absieht, dass der Parkplatz für die Spieler – und damit auch für mich – dem Neubau weichen musste. Dafür konnte ich nunmehr ebenfalls die High-Tech-Räumlichkeiten des neuen, vereinseigenen Medienzentrums für meine Interviews nutzen. Ein echter Fortschritt für alle Pressevertreter, dessen Sinn sich einem auch erschloss. Ganz anders als die Buddha-Figuren auf dem Dach des neuen Leistungszentrums, von denen ich ja spaßeshalber immer noch annehme, dass sie listigerweise von etwas ganz anderem ablenken sollten. Ich weiß nur noch nicht, von was. Egal, solange man keine anderen Aufreger hat, zeigt es nur, dass der Verein auch weiterhin insgesamt auf einem guten Weg ist.
Von dieser Meinung ließ ich mich nur kurzzeitig abbringen, als die Mannschaft ausgerechnet zur Karnevals-/Faschingszeit in einem Heimspiel dem Verein meiner Vaterstadt drei Punkte schenkte. Das war natürlich die Steilvorlage für eine mehrtägige Schlagzeilen-Orgie in den Kölner Boulevardzeitungen, wo der Überraschungssieg genüsslich aufgearbeitet wurde – gerade zu dem Zeitpunkt, als ich in Köln war. Beim Rosenmontagszug verdarb es mir jedenfalls die Laune, als ich zusehen musste, wie sich Christoph Daum hoch oben auf einem Prunkwagen feiern ließ.
Mit der diesjährigen Auslosung zur Gruppenphase bekamen wir es endlich mit jenem Exoten zu tun, den ich in dieser Form eigentlich in der Vorsaison, im UEFA-Cup, erwartet hätte – Steaua Bukarest. Wie meistens reiste ich alleine an und suchte mir mein Hotel selbst. Das war für mich schon eine Kostenfrage. Vor Ort ließ ich mich für das Bayern-Magazin akkreditieren und staunte bereits beim Abschlusstraining im Stadion Ghencea nicht schlecht, dass auf der Pressetribüne mein persönlicher Platz per Namensschild im UEFA-Design reserviert war. Links von mir die Süddeutsche Zeitung, rechts von mir das kicker-sportmagazin. Über diese Nachbarschaft konnte man nun wirklich nicht meckern. Ein schöner Kontrast zu meinen Stehplätzen in den achtziger Jahren. Am Spieltag nutzte ich die Gelegenheit, mich auf dem Weg zum Stadion dem Medientross anzuschließen, und stieg in den Shuttlebus für
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