Sehnsucht FC Bayern
Stunden später klingelte der Wecker für die Rückreise. In dieser Nacht hatte sich das Hotel nun wirklich nicht gelohnt.
Mittlerweile war ich 41 Jahre alt. Für körperliche Gebrechen war es zwar glücklicherweise noch zu früh, aber ich hatte es bis dahin immerhin geschafft, mich durch kleinere Wehwehchen oder Krankheiten nicht vom Stadionbesuch abhalten zu lassen. Nun aber raffte mich eine Leistenoperation dahin. Keine akute Sache, aber etwas, was man auch nicht jahrelang aufschieben sollte. Kurzum: Ich konnte mir den Zeitpunkt des chirurgischen Eingriffs selber aussuchen. Inklusive Genesungszeit mit stark eingeschränkter Bewegungsfreiheit. Es wurden Kalender und Spielpläne gewälzt, berufliche Termine abgewogen, private Fixtermine verlegt und schließlich eine kalendarische Lücke ohne Bayern-Spiel gefunden. Es hätte so schön werden können.
Die OP verlief super – nur die Genesung stockte. Und so verlängerten sich die 14 Tage Bettlägerigkeit um weitere fünf Tage und damit lange genug, um notgedrungen auf das Heimspiel gegen den VfL Wolfsburg verzichten zu müssen. Mein erstes, krankheitsbedingtes Versäumen eines Bayern-Spieles. Irgendwann musste es ja mal passieren. Der famose Zwei-Tore-Einstand von Arjen Robben tröstete dabei nur wenig über die unverschämte Fünf-Zeilen-Kritik meines Buches in der aktuellen Ausgabe von 11Freunde, die mich unverhofft am Krankenbett erreichte und die Genesung jedenfalls nicht beschleunigte. Dass seit meinem Leserbrief das Magazin sein Rezensionskonzept umgestellt hat und auch nicht mehr anonyme Kritiken veröffentlicht, ist kein wirklicher Trost.
Mittlerweile wurden auch einige Fanclubs auf das Angebot meines Verlages aufmerksam und luden mich für Lesungen zu ihren Veranstaltungen ein. Es war und ist für mich immer wieder interessant, solche Termine wahrzunehmen. Ich fühlte mich jedes Mal spontan an meine eigene Zeit als Fanclub-Vorsitzender erinnert. Dennoch war ich nicht selten beeindruckt, wie professionell die Bayern-Fans organisiert und im Vereinsleben ihrer Gemeinden eingebettet waren. Wenn ich Glück hatte, konnte ich solche Lesungen mit Auswärtsspielen der Profimannschaft verbinden. Ansonsten führten mich die Termine in die – für mich gefühlt – entlegensten Winkel der bayerischen Provinz. Basisarbeit sozusagen. Aber ich mache so etwas wirklich gerne.
Zum unvergesslichen Erlebnis geriet die Lesung im mittelfränkischen Ulsenheim. Abgehetzt durch die lange Anfahrt und wie immer auf den letzten Drücker ankommend, ignorierte ich die Füllmenge meines Tanks und den damit verbundenen Hinweis, dass der Diesel nur noch für 30 Kilometer reichen würde. Der Abend im gemütlichen Gasthaus wurde ein Erfolg. Die Fans lauschten meinen Ausführungen, sparten nicht mit Rückfragen, kauften fleißig meine Bücher und luden mich anschließend auf das eine oder andere Getränk ein. Kurzum: Es wurde spät. Sehr spät sogar. Beim herzlichen Abschied fiel mir wieder mein Tank ein. Die beruhigende Auskunft: »Eine Nacht-Tankstelle hier bei uns? Gar kein Problem. Spätestens in Neustadt/Aisch.«
Was sollte da schiefgehen? Es ging schief! Um ein Uhr nachts hatte auch in der Kreisstadt keine Tankstelle mehr offen. Mittlerweile reichte der Tank laut Bordcomputer für nur noch 18 Kilometer. In einem Schnellrestaurant des Weges stellte ich die Ortskenntnisse der Verkäuferin, die sich sonst eher mit Whopper & Co. auskennt, auf eine ernsthafte Probe: »Also wenn alle Tankstellen geschlossen habe, gibt es noch eine Münztankstelle gleich neben der Polizeistation.«
Na also, Rettung war nah. Aus Dankbarkeit nahm ich noch einen Cheeseburger mit auf den Weg. Den hatte ich noch nicht ganz verdrückt, als ich die Münztankstelle erreichte. Der Diesel reichte jetzt noch für 16 Kilometer. Und die Tankstelle? Die war außer Betrieb. Die nächstgrößere Stadt lag gute 20 Kilometer entfernt. Ein nächtliches Dilemma bahnte sich an. In meiner Not stattete ich der Polizeistation einen Besuch ab und platzte in die ruhige Nachtschicht. Ich wusste zwar auch nicht, wie man mir hier hätte helfen sollen, aber vielleicht unterschätzte ich ja auch die Kreativität der Beamten. Danach sah es jedoch zunächst nicht aus. Keiner wusste Rat, und jeder Uniformträger, der zufällig des Weges kam, wurde von den Kollegen in die Problemstellung mit einbezogen. Zum Schluss standen fünf (!) Polizisten im Halbkreis vor mir, diskutierten exakte Entfernungen zu Nachbargemeinden und riefen sogar
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